Verfuhrt auf dem Maskenball
ich werde dich vermissen und Georgie auch, überhaupt jeden! Thomas wohnt in Derbyshire, und ihr müsst jedes Jahr zu Besuch kommen.“ Sie wandte sich an ihren Verlobten. „Bist du einverstanden?“
„Ich bin mit allem einverstanden, was du vorhast“, sagte Thomas galant. Lizzie wusste, er war hingerissen von Anna, und er meinte jedes Wort ernst. Er konnte den Blick von seiner Verlobten nicht abwenden.
„Ach, das ist ein schöner Tag“, erklärte Mama und tupfte sich die Augen mit einem Leinentuch ab. „Georgina May, ich bete darum, dass du die Nächste bist.“
Georgie erstarrte. Lizzie sah sie an. An eben diesem Morgen hatte Mr. Harold ihr ein Weihnachtsgeschenk überbracht, ein sicheres Zeichen für die Ernsthaftigkeit seiner Absichten, denn es handelte sich um eine wunderschöne Spitzenmantilla. Georgie brachte ein Lächeln zustande, aber es wirkte gekünstelt.
Am nächsten Tag reiste Lieutenant Morely ab und versprach, jede Woche zu schreiben. Und kurz nach Neujahr hörten sie von den Gerüchten.
Der Earl of Adare stand im Begriff, die Verlobung seines ältesten Sohnes mit einer englischen Erbin aus einer Familie mit großem politischen Einfluss auszuhandeln. Das wäre eine sehr vorteilhafte Verbindung.
An jenem Nachmittag nahm Georgie Lizzie beiseite. Es war ein grauer, nasskalter Wintertag. „Geht es dir gut?“, fragte sie besorgt.
Lizzie fühlte sich schlecht. Doch sie gab sich keinen falschen Hoffnungen hin. Sie wusste, eine Begegnung wie die auf dem Ball würde es für sie mit Tyrell de Warenne nie wieder geben. Trotzdem fühlte sie sich, als hätte man sie mitten ins Herz getroffen. „Es geht mir gut“, sagte sie bedrückt.
„Lizzie, du musst ihn vergessen. Es ist nicht für dich bestimmt.“
„Ich weiß“, sagte Lizzie. Aber wie sollte sie ihn vergessen, wenn sie immer noch jede Nacht von ihm träumte, wenn sie selbst tagsüber immer wieder an ihn denken musste, wenn ihr heiß wurde bei dem Gedanken an ihn? „Ich wünsche ihm, dass er glücklich wird“, flüsterte sie. Und das immerhin stimmte.
Annas Hochzeit war für den frühen September angesetzt, und Mama stürzte sich mit Macht in die Vorbereitungen. Man hatte beschlossen, die Hochzeit in Derbyshire stattfinden zu lassen. Es war nicht zu übersehen, dass Anna sehr verliebt war und nie glücklicher gewirkt hatte. Aber eines Nachts erwachte Lizzie und stellte verwirrt fest, dass ihre Schwester neben ihr im Bett lag und schluchzte.
„Anna?“ Sie streckte den Arm nach ihr aus. „Liebes, was ist denn? Hast du geträumt?“
Sofort sprang Anna aus dem Bett und lief zum Kamin, wo noch ein kleines Feuer brannte. Es dauerte einen Moment, ehe sie sprechen konnte, und in diesem Moment hörte Lizzie, dass sie kaum atmen konnte. „Ja“, sagte sie schluchzend. „Es war ein Traum, ein schrecklicher Traum. Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe, Lizzie.“
Lizzie hatte das unbestimmte Gefühl, dass Anna ihr nicht die Wahrheit sagte, aber sie ließ es auf sich beruhen – bis zu einem späteren Zeitpunkt in derselben Woche. An einem sonnigen, entsetzlich kalten Februarmorgen sah sie Anna draußen spazieren gehen. Sie trug ihren Mantel, den Kopf hielt sie gesenkt. Ihre Haltung erschien merkwürdig. Beunruhigt warf Lizzie sich einen Schal über die Schultern und eilte fröstelnd nach draußen. „Anna? Was tust du? Es ist zu kalt, um draußen zu sein“, rief sie. „Du wirst dir eine Lungenentzündung holen.“
Anna antwortete nicht, sondern ging nur noch schneller.
Jetzt war Lizzie ernsthaft beunruhigt und lief ihr nach. Sie packte Anna am Arm. „Hast du mich nicht gehört?“, fragte sie und drehte die Schwester herum. Als sie Annas tränenüberströmtes Gesicht sah, fuhr sie zurück. „Was ist denn los?“ Sofort umarmte sie die Schwester.
Anna ließ es zu. Sprechen konnte sie nicht, wie es schien.
„Anna?“ Lizzie trat einen Schritt zurück. „Was ist passiert? Ist es wegen Thomas?“
Anna schüttelte den Kopf. „Nein, mit Thomas ist alles in Ordnung“, flüsterte sie bedrückt.
Lizzie sah sie an. Wenn mit Thomas alles in Ordnung war, worum ging es dann? Anna war verliebt und plante ihre Hochzeit. „Bitte sag mir, was los ist. Ich weiß, dass du letzte Nacht geweint hast und dass es nicht wegen eines Albtraums war.“
Anna zitterte, und Lizzie glaubte nicht, dass das nur von der bitteren Kälte kam. Sie weinte heftiger. „Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich bin verdammt“, flüsterte sie. Und dann schlug
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