Verfuhrt auf dem Maskenball
ich mit Tyrell de Warenne geflirtet habe?“
Georgie erwiderte knapp: „Warum machen wir uns nicht darüber Gedanken, wenn es so weit ist? Vielleicht waren ein paar von den anderen Piraten auch schwarz gekleidet.“ Beruhigend tätschelte sie Lizzies Arm.
„Ich bin verdammt“, flüsterte Lizzie. Sobald Mama die Wahrheit herausfand, würde sie sie nach Adare schleppen, und diesmal nicht als Maid Marian. Doch Georgie unterbrach ihre Gedanken. „Lizzie, findest du nicht auch, dass Anna sich ein bisschen seltsam benimmt?“
Lizzie drehte sich um, als Georgie davonging, um sich zu setzen. Sie waren im Salon, und Georgie stopfte Papas Socken, denn neue konnten sie sich nicht leisten, und die alten sah ja niemand. Lizzie hatte eigentlich lesen wollen. Stattdessen blieb ihr jetzt, nach Mamas plötzlichem Aufbruch, nichts anderes übrig, als unruhig hin und her zu gehen, was ganz untypisch für sie war. „Vielleicht ist sie noch müde von dem Ball. Mittags hält sie sonst nie ein Schläfchen, aber jetzt ruht sie.“
„Sie hat fast die ganze Nacht getanzt“, sagte Georgie. „Wie auch immer, ich schätze, diese Familie befindet sich in einem echten Schlamassel.“
Da konnte Lizzie ihr nur beipflichten. Obwohl sie nicht dazu neigte, Trübsal zu blasen, kehrte sie zurück ans Fenster, als würde Mama schneller zurückkommen, wenn sie dort wartete.
„Versuch doch, dir nicht so viel Sorgen zu machen“, sagte Georgie und griff nach Nadel und Faden.
Lizzie antwortete nicht, aber sie ging zum Sofa und versuchte, etwas zu lesen.
Drei Stunden später stürmte Mama ins Haus, strahlend vor Entzücken. „Lizzie!“, rief sie und stellte sich mitten ins Foyer. „Georgina! Anna! Papa! Kommt alle schnell her – ich habe Neuigkeiten! Ich habe wunderbare Neuigkeiten!“
Lizzies Stimmung sank auf den Nullpunkt. Sie konnte nur hoffen, dass Mamas Neuigkeiten nichts mit ihr zu tun hatten. In demselben Moment, als sie zusammen mit Georgie die Küche verließ, trat Papa aus der Bibliothek. Während der ganzen letzten Stunde hatten sie Erbsen gepalten, denn sie beschäftigten nur ein Hausmädchen, und Betty konnte unmöglich alles allein schaffen. Ganz langsam kam auch Anna die Treppe herunter.
„Alles in Ordnung?“, fragte Lizzie leise, während sich die Familie im Foyer versammelte.
„Mir geht es gut“, erwiderte Anna und lächelte strahlend. „Vorhin war ich nur müde, Lizzie.“
„Alle herhören!“ Mama klatschte in die Hände. „Ich habe herausgefunden, wer Lizzies Pirat war!“
Lizzie krümmte sich innerlich.
„Lizzie! Es war Seine Lordschaft selbst! Lieber, lieber Gott, der du uns so reich beschenkst – es war Tyrell de Warenne!“
Um ein Haar wäre Lizzie in Ohnmacht gefallen. „Nein“, flüsterte sie.
„Oh ja!“, rief Mama und klatschte noch einmal in die Hände. „Tyrell de Warenne hat Gefallen an dir gefunden!“
Lizzie warf Georgie einen flehenden Blick zu. Sprechen konnte sie nicht.
Ihre Schwester trat einen Schritt nach vorn. „Mama, das muss ein Irrtum sein. Wir alle wissen, dass Tyrell de Warenne eine Vorliebe für außerordentliche Schönheiten hat. Auf dem Ball hat es viele Piraten gegeben. Ich denke, wir sollten in Mrs. Holidays Worte nicht zu viel hineininterpretieren.“
„Unsinn!“, erwiderte Mama. „Morgen Mittag um zwölf gehen wir hinauf zum Herrenhaus und sprechen bei der Countess vor.“
Lizzie schrie auf.
„Und von dir möchte ich kein einziges Widerwort hören.“ Mama sandte ihr einen warnenden Blick zu. „Und auch sonst von niemandem. Ich meine es ernst.“
„Ich kann nicht“, flüsterte Lizzie, einer Ohnmacht nahe. Kein Albtraum konnte schlimmer sein. Mama hatte die Absicht, ihre Töchter nach Adare zu schleppen und die ganze Familie in Verlegenheit zu bringen. Am liebsten wäre Lizzie jetzt schon vor Scham gestorben. Bestimmt würde Tyrell dort sein und sie gar nicht wiedererkennen. Oh, er würde ihre mollige Figur und ihre Brille ansehen und nicht im Geringsten an ihr interessiert sein.
Und Mama würde irgendetwas entsetzlich Peinliches tun, das tat sie immer. Sie würde Lizzie auf irgendeine Weise vorführen und die Möglichkeit einer Heirat andeuten. Am liebsten wäre Lizzie auf der Stelle tot umgefallen.
„Morgen Mittag um zwölf“, befahl Mama. „Ich werde meine Meinung nicht ändern.“
„Mama, das kann ich nicht“, flehte Lizzie.
„Natürlich kannst du!“ Mama kam zu ihr und klopfte ihr auf die Schulter, als könnte sie sie damit beruhigen.
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