Verfuhrt auf dem Maskenball
gefährlich, ihr von Annas Zustand zu erzählen, ehe sie Raven Hall verlassen hatten.
Anna sah sie an. „Ach Lizzie, ich kann dir gar nicht genug danken!“ Sie zögerte. „Aber was sollen wir jetzt tun? Ich bin sicher, dass dieser grässliche Peter Harold um sie anhalten wird, und wenn sie hierbleibt, wird sie ihn am Ende noch heiraten!“
Auch Lizzie hielt das für durchaus möglich. „Ich will versuchen, Georgie dazu zu überreden, Mr. Harolds Antrag abzulehnen. Ich meine, du heiratest im September. Bestimmt muss sie bei einer so unpassenden Verbindung nichts überstürzen.“
Anna war zum Schrank gegangen und öffnete ihn jetzt. „Ich werde niemals wiedergutmachen können, was du nun für mich tust“, sagte sie.
„Du schuldest mir gar nichts“, entgegnete Lizzie und dachte an all die Schwierigkeiten, die ihnen noch bevorstanden.
Anna sagte nichts dazu. Sie nahm einen Stapel Unterwäsche aus dem Schrank.
Lizzie hockte sich auf die Bettkante und faltete die Hände. Anna und sie fürchteten sich vor dem Empfang am Merrion Square. Ihre Tante war eine kühle, distanzierte und sehr schwierige Frau ohne eine Spur von Herzenswärme. Lizzie machte sich nichts vor. Es würde Eleanor nicht gefallen, wenn die beiden Schwestern vor ihrer Tür standen, und möglicherweise würde sie sie sogar fortschicken.
Irgendwie mussten sie sie dazu überreden, bleiben zu dürfen.
Anna erriet Lizzies Gedanken. „Wenn sie uns nicht sofort wegschickt, dann wird sie es tun, sobald sie von meinem Zustand erfährt!“, rief sie plötzlich aus, und Tränen glänzten in ihren Augen.
„So etwas würde nur eine bösartige und herzlose Hexe tun“, gab Lizzie zurück und meinte das ganz wörtlich. „Soll sie uns hinauswerfen, mittellos sozusagen? Nein, sie ist gezwungen, uns bei sich zu behalten, Anna, und wenn ich davon nicht überzeugt wäre, dann würden wir jetzt nicht nach Dublin fahren.“
Anna holte tief Luft. „Sie ist nie sehr freundlich gewesen, kein einziges Mal, solange ich zurückdenken kann.“
„Wir sind miteinander verwandt“, sagte Lizzie und fühlte sich der Verzweiflung nah. „Georgie würde sagen, lass uns einen Schritt nach dem anderen machen. Mama hat den Brief akzeptiert, also müssen wir packen. Über unseren Empfang dort machen wir uns Gedanken, wenn wir am Merrion Square ankommen, und was passiert, wenn Tante Eleanor von deinem Zustand erfährt, darüber sorgen wir uns, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, ihr die Wahrheit zu sagen.“
„Zumindest halten wir uns noch an den Zeitplan“, sagte Anna heiser. „Noch vor Mitte März werden wir in Dublin sein.“
„Ja“, sagte Lizzie. Die Schwestern sahen einander an.
Annas Augen füllten sich mit Tränen.
Lizzie legte den Arm um sie. „Ich habe vier Monate Zeit, um eine gute Familie für das Baby zu finden“, flüsterte sie.
Anna nickte und wischte sich über die Augen.
Lizzie zögerte. „Es gibt keine andere Möglichkeit, außer du erzählst Thomas alles, und er akzeptiert, was du getan hast.“
„Das kann ich unmöglich“, flüsterte Anna. „Kein Mann wird eine solche Braut akzeptieren.“
Auch Lizzie war ziemlich sicher, dass Thomas die Verlobung lösen würde, wenn er erführe, dass Anna das Kind eines anderen Mannes erwartete. „Wir tun das Richtige … das einzig Mögliche“, murmelte sie.
„Du musst mir versprechen, dass wir das Kind nur in gute Hände abgeben“, sagte Anna.
„Ich verspreche es.“
Anna sah sie einen Moment lang an, dann wischte sie sich über die Augen und ging zum Schrank. „Ich packe für dich, Lizzie …“
„Du wirst nichts dergleichen tun. Du bist schon erschöpft und ziemlich kurzatmig.“
„Das macht mir nichts aus, nach allem, was du für mich getan hast.“
„Auf keinen Fall wirst du das tun“, erklärte Lizzie.
Plötzlich klopfte es an der Tür. Lizzie und Anna erstarrten. Dann holte Lizzie tief Luft und sagte heiter: „Herein!“
Mit gerunzelter Stirn betrat Georgie das Zimmer. „Warum habt ihr die Tür geschlossen? Und worüber flüstert ihr beide?“
Lizzie tat sehr überrascht. „Wir haben nicht geflüstert.“
Georgie verschränkte die Arme. „Seit Tagen schon benehmt ihr zwei euch sonderbar. Irgendetwas ist los, oder? Etwas, das ihr mir nicht erzählt.“
„Nichts ist los“, erwiderte Lizzie entschieden. „Georgie, du willst uns doch bestimmt begleiten! Ganz gewiss willst du diesem alten Ekel Peter Harold entkommen, ehe er um deine Hand anhält. Und du liebst
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