Verfuhrt auf dem Maskenball
Widerspruch zu dem, was er gerade gesagt hatte, rieb er seinen Beinstumpf.
Tyrell bemerkte das wohl und nahm sich sofort zusammen. Während er sich wegen einer Frau den Kopf zerbrach, hatte sein Bruder ein Bein verloren, wurde von ständigen Schmerzen gepeinigt und lebte in einer Art Exil, das er sich selbst auferlegt hatte. „Die bevorstehende Verbindung beunruhigt mich nicht, Rex.“ Er zögerte. „Es ist nur so, dass ich ständig an eine andere Frau denken muss.“ Kaum hatte er das gesagt, bereute er es schon.
„Tatsächlich? Dann schlage ich vor, dass du dir alles von ihr holst, was du willst, damit du deine Aufmerksamkeit wieder den wichtigen Dingen widmen kannst.“ Rex schien überrascht.
Tyrell wollte nichts weniger als alles von Elizabeth Fitzgerald. Allein der Gedanke weckte erneut sein Verlangen, doch jetzt stand seine zukünftige Braut vor ihm und sah ihn erwartungsvoll an. Sie lächelte höflich. Ihre beiden Freundinnen warteten unmittelbar hinter ihr. Er erwiderte das Lächeln und verneigte sich galant, als sie knickste. „Ich hoffe, Sie genießen diesen schönen irischen Tag“, sagte er.
„Wie sollte ich nicht?“, fragte sie nur. „Es ist ein herrlicher Tag, und Sie besitzen ein schönes Haus, Mylord.“
Tyrell suchte in ihrem Gesicht nach einem Anzeichen dafür, dass sie nicht die Wahrheit sagte, aber er fand nichts Dergleichen. Ihm war bewusst, dass viele Engländer sein Land verachteten. Blanche wirkte nicht im Geringsten herablassend. Als sie am gestrigen Abend mit ihrem Vater angekommen war, hatte er sie zum zweiten Mal gesehen, und bisher hatte sich noch keine Gelegenheit für sie ergeben, sich allein zu unterhalten. Doch beim Essen hatte er sie beobachtet, und ihre Freundlichkeit schien unerschütterlich. „Vielen Dank. Ich freue mich, dass Ihnen mein Zuhause gefällt. Wollen Sie mich später vielleicht auf eine Ausfahrt begleiten? Ich könnten Ihnen ein wenig von der Gegend zeigen.“ Eine Ausfahrt war so ziemlich das Letzte, wonach ihm der Sinn stand, aber er würde seine Pflicht gegenüber der zukünftigen Braut erfüllen. Vielleicht würden sie sich so vor der Hochzeit sogar noch ein wenig kennenlernen.
„Es wäre mir eine Ehre, Sir“, sagte sie. „Darf ich Ihnen meine besten Freundinnen vorstellen? Lady Bess Harcliffe und Lady Felicia Greene. Sie sind heute Morgen eingetroffen.“
Die Damen knicksten errötend und wagten nicht, ihn anzusehen. Er verneigte sich und murmelte einen höflichen Gruß. Dann nahm er Blanches Hand und küsste sie. Als er aufsah, begegnete er ihrem Blick, und er bemerkte, dass sie von ihm keineswegs eingeschüchtert war. „Bis heute Nachmittag dann“, sagte er höflich.
„Ich freue mich darauf.“ Sie knickste anmutig, genau wie ihre Freundinnen, dann gingen die drei davon.
Tyrell sah ihnen nach. Sie hielt sich sehr gerade, während ihre Freundinnen ihr bereits etwas zuflüsterten. Zweifellos sprachen sie über ihn. Falls Blanche aufgeregt war, so zeigte sie es nicht, und falls sie etwas belustigte, so lachte sie nicht.
Elizabeth sah ihn an, noch atemlos von seinen Küssen. Ihre Wangen waren gerötet – vor Verlegenheit? Oder vor Zorn? Ihr kamen die Tränen, und sie schloss die Augen, doch er bemerkte es trotzdem. „Ich kann diesen Antrag nicht annehmen.“
„Tyrell?“ Rex zupfte an seinem Ärmel. „Noch nie habe ich dich so abwesend erlebt.“ Sein Tonfall klang missbilligend.
„Sie führt mich an der Nase herum“, erwiderte Tyrell.
Rex zögerte einen Moment, ehe er sprach. „Es sieht dir gar nicht ähnlich, zu einem so wichtigen Zeitpunkt an eine andere Frau zu denken. Die meisten Männer wären von Blanche Harrington sofort betört. Ich mache mir Sorgen. Du bist doch sonst so diplomatisch, und das ist wichtig, wenn du eines Tages in Vaters Fußstapfen treten wirst. Du bist doch gar nicht der Typ, der die Beherrschung verliert und das Risiko eingeht, Harrington oder seine zukünftige Braut vor den Kopf zu stoßen.“
Rex hatte recht. Genau wie sein Vater war Tyrell der geborene Politiker, und jetzt einer anderen Frau nachzulaufen bedeutete einen massiven Verstoß gegen die Etikette.
„Sie muss sehr schön sein – und sehr klug“, sagte Rex.
„Sie ist sehr klug. Sie ist sogar raffiniert, auch wenn sie aussieht wie die reine Unschuld. Aber ich beabsichtige, diesem Spiel ein für alle Mal ein Ende zu setzen.“ Tyrell meinte es ernst. „Es hat vor zwei Jahren angefangen“, erklärte er. „Und jetzt wagt sie es, wieder in
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