Vergangene Narben
okay?“
Ich schüttelte unwillig den Kopf. „Vergiss es einfach.“ Wir hatten doch nicht mal einen neuen Anhaltspunkt, tappten genauso im Dunkeln, wie in dem Moment, in dem ich erfahren hatte, was in meiner Abwesenheit zuhause passiert war.
„Zsa Zsa …“
„Nein, lass es einfach.“ Noch mehr ertrug ich im Moment nicht. „Bitte.“
Seufzend drückte er die Lippen zusammen. Er sah nicht so aus, als würde er es einfach lassen wollen.
„Was ist denn da los?“, fragte Kian, der durch die Tür einen Blick in den Nebenraum warf.
Einen Moment später stürmte Javan in die Küche. „Papa, wir haben ein Problem.“
Gero sah auf. „Was für ein Problem?“
„Es liegt nebenan.“
Er runzelte die Stirn, und strebte mit seinem Sohn zusammen aus dem Raum. Auch Diego und Umbra Drogan schlossen sich ihnen an. Und als sogar Cheyenne ihnen folgte, entschloss ich mich kurzerhand auch einen Blick zu riskieren.
Auf der Couch nebenan lag eine Frau, und, oh Gott, sie sah aus, als würde sie mitten aus dem Kriegsgebiet kommen. Sie war überall schwer verletzt. Und Blut, da war so viel Blut, dass man darunter kaum noch die Haut erkennen konnte. Ihr Gesicht war fast bis zur Unkenntlichkeit zerstört, die Kleidung hing in Fetzen an ihr herunter. Nur das kurze, blonde Haar war noch ein wenig zu erkennen.
Neben ihr Kniete ein Mann mit der gleichen Haarfarbe. Seine Hände, die ihre hielten, waren auch blutverschmiert, aber das schien nicht von ihm zu stammen, sondern von der Frau. Kleine Blessuren waren auch bei ihm erkennbar, doch im Großen und Ganzen schien er unverletzt zu sein. Er drückte die Hand der frau, und redete dabei ununterbrochen auf sie ein.
„Oh scheiße“, entfuhr es Gero.
Cheyennes Augen waren riesig. „Janina“, flüsterte sie.
°°°
Schlimmer geht immer
Hände voller Blut.
Er saß einfach nur auf der Couch und starrte sie an, als würden sie ihm erklären, was geschehen war. Etwas das er als einziger im Raum wusste, da er bisher kein Wort gesprochen hatte.
„Caine.“ Gero legte vorsichtig eine Hand auf die Schulter von Janinas Bruder. „Sprich endlich mit uns. Was ist passiert? Warum können wir Divana nicht erreichen?“
Divana, das Oberhaupt vom Streunerrudel bei Aalen, Caines und Janinas Alpha, soviel hatte ich in der Zwischenzeit schon aus den Gesprächen rausgehört. Und auch das Janina wohl eine alte Bekannte meiner Erzeugerin war, doch leider half es bei der Suche nach Antworten nicht weiter.
Vor dem Wohnzimmertisch lief Javan unruhig auf und ab, und schaltete dann frustriert das Handy ab. „Bei Ayko geht auch keiner ans Telefon.“
Hm, wie sich das anhörte, dass erinnerte mich stark an die Situation, die wie mit Sadrija und den Zwillingen hatten. Aber das da gleich ein ganzes Rudel verschwunden war, das war doch ziemlich beunruhigend. Beziehungsweise, wenn weder in Divanas noch in Aykos Rudel jemand ans Telefon ging, dann waren es mindestens zwei verschwundene Rudel. Noch beunruhigender.
„Caine“, versuchte Gero es erneut, aber dieses Mal mit einem Unterton in der Stimme, den ich körperlich spüren konnte. „Sag uns was passiert ist.“
Janinas Bruder blinzelte nicht einmal, starrte nur völlig teilnahmslos auf seine Hände. Er hatte einen Schock, war gar nicht anwesend, obwohl er hier direkt vor uns saß. Selbst wenn er gewollt hätte, in diesem Zustand war es ihm unmöglich zu sprechen.
Ich sah zu der Tür ins angrenzende Schlafzimmer, in das sie vor einer halben Stunde die schwerverletzte Frau gebracht hatten. Sie hatte mehr Tod als Lebendig gewirkt, und einem jeden in diesem Raum war klar, dass ihr Leben nur noch an einem seidenen Faden hing.
Wieder fragte ich mich, was passiert sein könnte, dass ein völlig verzweifelter Mann seine halbtote Schwester durch die Gegend trug, und ihren Zustand damit nur noch verschlimmerte.
Javan hatte wieder das Handy am Ohr, aber wenn ich den frustrierten Ausdruck in seinem Gesicht richtig interpretierte, wurde er wieder in der Leitung hängen gelassen.
Ich drückte mich neben Kian an der Wand entlang, und spähte in die Küche. Cheyenne saß wieder am Computer, bei ihr – händchenhaltend – Ayden und Alina. Irgendwie war es seltsam die beiden so zu sehen, und ich war mir auch noch nicht ganz sicher, was ich davon halten sollte.
Cio stand mit seinem Vater bei Caine am Sofa, aber offensichtlich hatte auch keiner von den beiden eine Ahnung, wie sie den verzweifelten Mann zum Reden bringen konnten.
Ich kaute nervös auf meiner
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