Vergangene Narben
richtete wieder seinen Blick auf mich.
„Du und ich, wir gehören hier nicht her“, sagte ich leise. „Ich bin weder Fisch noch Fleisch, und du bist ein Mensch. Wir sind anders, und deswegen werden wir nie dazugehören.“
Das war der Moment, in dem Javan in die Küche trat, und so wie er mich ansah, hatte er gehört, was eben meinen Mund verlassen hatte. „Warum sagst du sowas?“, fragte er mich dann auch ganz direkt.
„Weil es stimmt“, gab ich bitter von mir.
„Ach Quatsch.“ Mit verschränkten Armen stellte er sich vor mich. „Wenn ihr nicht hier hergehören würdet, dann würde ich das auch nicht.“
„Warum? Sind Sie ein Mensch? Oder ein Dimidius?“ Das bezweifelte ich gewaltig, er roch nach Werwolf.
Er grinste mich an. „Ja und nein zu beidem.“
Was war das denn bitte für eine Antwort. „Sie sind sowohl Mensch als auch Dimidius, und dann auch wieder nicht?“
„Mein Vater ist ein Werwolf.“ Er zeigte auf Gero. „Meine Mutter war Mensch, was mich theoretisch zu einem Dimidius macht. Nur ist der Wolf in mir nie erwacht, weswegen ich praktisch ein Mensch bin. Und ich würde niemals sagen, dass ich nicht hierher gehöre, nur weil ich anders bin. Ich bin wer ich bin, und gehöre dort hin, wo ich mich wohlfühle.“
„Ich bin wer ich bin“, wiederholte ich seine Worte leise.
Er lächelte mich an. „Lass dir nie etwas anderes einreden. Und dein Kumpel ist hier auch nicht außen vor. Bei uns im Rudel leben mehrere Menschen.“
Das überraschte mich jetzt doch. „Aber es ist doch verboten, Menschen von der Verborgenen Welt zu erzählen.“
„Ja, im Rudel der Könige. Wir haben unsere eigenen Regeln.“ Er zwinkerte mir zu. „Und … Moment“, sagte er, als sein Handy klingelte. Er zog es aus der Hosentasche, runzelte beim Blick aufs Display die Stirn, und hielt es sich ans Ohr. „Ja? … okay, und was …“ Er riss die Augen auf. „Ist das ein Scherz? … okay, ich komm runter. Lasst niemanden an sie ran.“ Noch während er das sagte, setzte er sich bereits in Bewegung, und verließ mit dem Handy am Ohr die Küche.
Ich beachtete das nicht wirklich. Mir gingen immer noch seine Worte durch den Kopf.
Ich bin wer ich bin.
Ja, aber wer genau war ich?
„Zsa Zsa!“, rief Cio begeistert, und drückte mich einen Moment später an seine Brust.
„Den Terrorlingen geht es gut! Ist das nicht klasse?!“
Ach ja, er war ja mit den Zwillingen aufgewachsen. Für ihn mussten sie auch wie Schwestern sein. Ich zwang mich zu einem Lächeln, nach dem mir im Moment überhaupt nicht war. „Ja, das ist toll. Wenigstens haben ein paar der vermissten Personen wiedergefunden.“ Es hatte nicht so bitter klingen sollen, wie es rauskam. Aber auch wenn es toll war, dass die Mädchen und ihre Tante wieder aufgetaucht waren, so blieben meine Eltern noch immer verschollen.
Irgendwo hatte ich mal gehört, je mehr Zeit seit einer Entführung verging, desto geringer war die Wahrscheinlichkeit, dass man diese Leute lebend wiedersah. Meine Eltern hatte ich vor drei Tagen das letzte Mal gesehen. Es mochte sich vielleicht nicht nach viel anhören, doch das waren zweiundsiebzig Stunden, und in so viel Zeit konnte einem eine Menge passieren.
Sadrija und die Zwillinge waren nur etwas mehr als achtundvierzig Stunden verschwunden gewesen. Hatten meine Eltern auch einen rettenden Engel wie Quinn, der ihnen helfen konnte, oder waren sie ganz auf sich allein gestellt?
Ich drücke mich von Cio weg, erinnerte mich daran, dass ich Abstand halten wollte, auch wenn es sich in seine Armen noch so gut anfühlte, und sein sauberer Geruch mir einfach nur den Verstand vernebeln wollte. „Das ist wirklich toll“, beeilte ich mich noch mal zu sagen.
Cio runzelte die Stirn. „Geht es dir gut?“ Er wollte die Hand auf meine Wange legen, doch ich wich einen Schritt zurück bevor er mich berühren konnte, und wich seinem Blick aus. „Tut sein Gesicht noch weh?“
„Ein bisschen, ist aber nicht so schlimm.“
Die Falte zwischen seinen Augenbrauen wurde tiefer. „Bist du sicher? Ich kann dir Eis oder so holen, wenn du möchtest.“
„Nein, ich brauchte nichts.“ Mein Blick schweifte zum Computer, wo Clover gerade die ganzen Geschehnisse aus ihrer Perspektive erzählte. „Es ist gut, dass wir jetzt wissen, wo sie sind.“
„Ach Süße, wir werden deine Eltern schon finden, daran glaube ich fest.“
Wenigstens konnte noch einer von uns so zuversichtlich sein.
„Das mit Italien war nur ein kleiner Rückschlag. So schnell geben wir nicht auf,
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