Vergangene Narben
bedenkt man die Uhrzeit, würde ich vorschlagen, du gehst und hämmerst mal an seine Zimmertür.“ Wenn er von dem Lärm hier nicht schon wach geworden war.
„Da ist er aber auch nicht.“
Oh man, „Willst du mir sagen was los ist?“
Er ging auf meine Frage gar nicht ein, starrte mir nur wie gebannt im Gesicht.
Kurz fragte ich mich, ob ich da irgendwo einen Popel zu kleben hatte, was sonst könnte da so interessant sein?
„Du hast hammergeile Augen, weißt du das eigentlich?“ Die Worte kamen leicht nuschelnd über seine Lippen.
Bitte? War der besoffen, oder was? Mein musternder Blick glitt über ihn. Auf jeden Fall sah er ziemlich zerzaust aus. Die dunkelbraunen Haare standen ihn zu allen Richtungen ab, als sei er mit den Händen mehrmals hindurch gefahren.
„Nein, was ich meinte …“ Er stockte. „Doch, genau das meine ich. Hammergeile Augen.“
Ja, er war definitiv besoffen. „Ähm, danke, deine Augen sind auch sehr hübsch.“
„Hübsch?
Hübsch?
“ Das schien ihn richtig zu pikieren. „Ich will dir mal was sagen.“ Er hob sehr unkontrolliert den Zeigefinger, und hielt ihn mir direkt vor die Nase. Dabei beugte er sich mir noch ein wenig entgegen, sodass ich den Alkohol in seinem Atem riechen konnte – irgendetwas Süßliches. „Mädchen sind hübsch, aber nicht meine Augen. Die sind keck, frech, oder cool, vielleicht auch noch hammergeil, aber nicht hübsch!“
Ähm … o-kay, irgendwie hatte er es gerade mit diesem Wort. „Wenn du meinst.“
Der Ausdruck in seinem Gesicht wurde ganz weich, als er sich noch ein wenig vorbeugte. „Aber deine Augen, die sind hübsch.“
„Ja, das haben wir bereits festgestellt“, gab ich ein kleinen wenig sarkastisch von mir, und trat einen Schritt zurück, einfach weil mich seine Nähe ein wenig nervös machte.
Cio nahm das als Einladung um mein Zimmer zu betreten. Er ging einfach an mir vorbei, während ich ihn nur verdutzt ansah. So hatte ich das eigentlich nicht gemeint, aber nachdem er einmal nervös auf und ab gelaufen war, und sich dann auf mein Bett setzte, brachte ich es einfach nicht übers Herz in trotzt der späten Stunde wieder rauszuschmeißen. Und das hatte nichts damit zu tun, dass mein Herz bei seinem Anblick einen Tick schneller schlug, oder dass er nun doch noch zu mir gekommen war, nachdem er mir vorhin so eine Abfuhr erteilt hatte, sondern einfach damit wie er aussah. Den Kopf gesenkt, die Augen auf den Boden gerichtet, irgendwie … verzweifelt. Nein, das war nicht das richtige Wort. Eher Mutlos, niedergebeugt. Irgendwas lag ihm auf der Seele, und so konnte ich nichts anderes tun, als die Tür von innen zu schließen, und mich neben ihn auf die Kante des Betts sinken zu lassen.
„Möchtest du reden?“ Wäre ja nicht das erste Mal in den letzten vierundzwanzig Stunden, dass ich als Hobbypsychologe fungierte.
Langsam, als hätte er mein näherkommen gar nicht richtig registriert, und sein jetzt überrascht mich neben ihm zu haben, hob er den Kopf. Dabei ließ er seine Augen über mich wandern, was mir nicht wirklich gefiel. Außer einem Slip und einen Shirt trug ich nichts am Leib, wie mir in diesem Moment deutlich klar wurde. Deswegen griff ich hastig nach meiner Decke, und zog sie über meine Beine. So war ich wenigstens ein bisschen bedeckt.
„Du trägst mein T-Shirt“, sagte er da.
Ertappt röteten meine Wagen sich. „Ja. Ähm … die anderen Klamotten waren …“
„Es steht dir.“ Er grinste leicht schief. „Möchtest du es behalten?“
Mein Gott, wie er das fragte … er musste wirklich ordentlich gebechert haben. „Im Moment jedenfalls wäre es mir sehr lieb“, sagte ich etwas unbestimmt. Klar wollte ich es behalten, aber so deutlich würde ich es nicht ausdrücken. Das wäre einfach zu peinlich. „Aber dein T-Shirt ist sicher nicht der Grund warum du hier bist, oder?“
Das Lächeln auf seinen Lippen verrutschte ein wenig. „Nein, ich …es ist einfach … sie hat nur nein gesagt, weil mein Vater es nicht wollte, verstehst du? Wäre er nicht, dann wäre ich schon längst auf dem Weg zum Schloss, aber jetzt sitze ich hier fest.“
„Du redest von dem Auftrag die Drachen zusammenzurufen.“
„Ja, genau davon rede ich“, brach es aus ihm raus. „Weißt du was sie gerade machen? Sie sind dabei Vorbereitungen für die Evakuierung der Streuner zu treffen, und reden nebenbei immer noch darüber, wie man die Drachen erreichen könnte. Sie tun nichts anderes als reden. Reden, reden, und noch mehr reden.
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