Vergangene Narben
zu mir gekommen sein?
Als Kian sich von der Wand abstieß, gab einen Knurrlaut von sich, der jedem Wolf Ehre gemacht hätte. Dann war er auch schon zur Tür hinaus verschwunden.
Alina dagegen bewegte sich nicht von der Stelle. „Soll das jetzt heißen, wir werden doch keine Gefährten?“
„Alina, geh raus“, verlangte ich.
Sie warf mir einen bösen Blick zu. „Na gut“, sagte sie eingeschnappt, und rutschte vom Bett. „Aber darüber werden wir uns noch mal unterhalten“, fügte sie hinzu, und ging an Ayden vorbei zur Tür. Sie schloss sich leise hinter ihr, dann war ich mit meinem Halbbruder alleine.
Einen Moment noch sah ich meiner Cousine hinterher, und mir wurde eines sehr deutlich klar. Sie liebte ihn nicht, denn wenn es anders wäre, wäre sie nicht so einfach abgezogen. Und auch er brachte ihr nicht diese Gefühle entgegen, denn sonst hätte er sie sicher nicht einfach so gehen lassen.
Deswegen stelle ich mir die Frage, was hier nun wirklich los war. Werwölfe hatten soweit ich wusste nichts gegen Schwule, sie dachten nicht so engstirnig wie die Menschen. Und auch Ayden hatte bisher nicht den Eindruck gemacht, als würde ihn gleichgeschlechtliche Liebe irgendwie stören. Also warum ging er so ab, nur weil Kian ihn geküsste hatte, anstatt ihm einfach nur die Meinung zu geigen?
Gut, es war sicher nicht die feine, englische Art, einfach so über einen anderen herzufallen – egal ob nun Mann oder Frau –, aber Aydens Reaktion schien mir doch ein wenig überzogen.
„Möchtest du darüber reden?“, fragte ich vorsichtig.
„Ich bin nicht schwul“, sagt er leise, den Blick auf den Boden gerichtet.
„Das hast du schon eins, zwei Mal erwähnt.“ Als er darauf nicht reagierte, zog ich seufzend die Beine auf den Sessel. „Was ist denn eigentlich passiert? Eben wart ihr beide doch noch in der Küche gewesen.“ Oh weh, da kam mir ein böser Gedanke. Kian wird doch wohl nicht so weit gegangen sein, dass er Ayden vor allen anderen in der Küche geküsst hatte, oder? Ich kannte meinen Freund, und wenn er wirklich etwas haben wollte, dann ging er auch gerne mal über Leichen. Aber das wird er Ayden doch nicht angetan haben. Oder? „Komm schon, Ayden, rede mit mir.“
Er seufzte, und riebt sich mit der Hand übers Gesicht, bevor er sie wieder kraftlos hängen ließ. „Diego hat entschieden, dass es Zeit für eine Pause ist“, sagte er dann leise. „Kian und ich sind dann auf unser Zimmer gegangen, und wir haben ein wenig rumgeblödelt.“
Okay, also nicht in der Küche. Gott sei Dank. „Und dann?“, fragte ich, als er nicht weitersprach.
Ayden schüttelte den Kopf, als wollte er die Bilder in seinem Hirn vertreiben. „Ich weiß nicht. Ich … ich stand plötzlich mit dem Rücken zur Wand, und er direkt vor mir. Er hat mich an den Schultern festgehalten, und …“ Seine Wangen röteten sich leicht. „Ach keine Ahnung. Ich dachte das wäre nur Spaß, und dann hat der Mistkerl mir einfach die Zunge in den Mund gesteckt!“, zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Ich dachte du hast das gemacht.“
Wenn ich den bösen Blick den ich dafür bekam richtig interpretierte, war das nicht das, was er hatte hören wollen.
„Er, ich, ist doch egal. Tatsache ist, er hat mich geküsst, aber ich bin nicht schwul!“ Das war wohl ein Punkt, von dem er nicht abrücken wollte.
„Das habe ich verstanden.“ Ich neigte den Kopf leicht zur Seite. „Aber du hast mitgemacht, also … ich meine, du hast ihn zurückgeküsst, oder?“
Sein Blick traf mich nur einen Moment, bevor er den Kopf einfach hängen lief. „Ja, ganz kurz“, gab er leise zu.
Ich versuchte nicht zu lächeln, ich versuchte es wirklich, aber das Zucken meines Mundwinkels war einfach nicht aufzuhalten. „Hat es dir denn gefallen?“
Seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Das ist doch ganz egal. Ich bin nicht schwul, und es wird nicht noch einmal passieren.“
Was übersetzt wohl so viel hieß, wie, es hatte ihm gefallen. Und das war wohl auch der Grund, warum er so verstört war. Schade dass ich in solchen Dingen nicht wirklich viel Erfahrung hatte. Als Doktor Sommer konnte ich hier nicht gerade aufwarten. Trotzdem wollte ich versuchen ihm irgendwie zu helfen. „Weißt du, es war doch nur ein Kuss. Sag Kian einfach, dass er seine Griffel in Zukunft bei sich behalten soll, und fertig ist. Oder stört es dich, dass er schwul ist?“
„Nein, verdammt, ich hab nichts gegen schwule, ich hab nur was gegen …“ Er
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