Vergangene Narben
seinen Armen, in seiner Nähe, die mich sowieso nur ablenken würde. Daher entschloss ich mich leise aus dem Bett zu schlüpfen, und meine Klamotten zusammenzuklauben. Deswegen, und weil ich sowieso nicht daran glaubte, dass ich demnächst ins Reich der Träume eintauchen könnte.
Während ich so leise wie möglich in meine Hose stieg, prasselte draußen leise Regen gegen die Fenster. Erst nur ein paar Tropfen, doch als ich fertig angezogen war, sah es so aus, als würde es sich so richtig schön einregnen.
Ich schnappte meine Schuhe vom Fußende des Bettes, um mich rauszuschleichen. Dabei fiel mein Blick auf die schlafende Gestallt in meinem Bett. Das Haar zerzaust, der Mund leicht geöffnet. Die Decke bedeckte gerade so seinen Hintern. Vielen Frauen wäre er zu markant, doch in meinen Augen war dies der schönste Anblick, den ich jemals genießen durfte.
Plötzlich brannten Tränen in meinen Augen, die ich hastig wegblinzelte. Oh Gott, was hatte ich nur getan? Eilends griff ich noch nach meiner Brille, und flüchtete dann geradezu aus meinem Zimmer. Wahrscheinlich war es so auch besser. Auf das peinliche Schweigen am Morgen danach konnte ich dankend verzichten.
Im Korridor zog ich mir meine Schuhe an, und atmete dann erst mal tief durch. Und jetzt? Hier draußen war niemand zu sehen. Wahrscheinlich schliefen die meisten Bewohner noch. Ich wollte auch keinem von ihnen begegnen. Ich wollte allein sein, wollte meine Gedanken ordnen, doch es würde wohl ziemlich seltsam wirken, wenn ich das hier auf dem Korridor täte. Aber wo sollte ich sonst hingehen? Zurück in mein Zimmer ging ja nicht.
Einen Moment überlegte ich, ob ich mich vielleicht in Cios Zimmer zurückziehen könnte, aber spätestens wenn er nach dem Aufwachen dort auftauchen würde, könnte es ziemlich peinlich für mich werden. Außerdem wollte ich nicht in seine Privatsphäre eindringen.
Nein, das war schon mal keine Lösung. Vielleicht würde ja auch ein einfacher Spaziergang helfen, um einmal den Kopf freizubekommen. Nur es regnete draußen. Sollte ich vielleicht noch meine Jacke holen? Was wenn Cio davon aufwachen würde?
Ich entschied mich dafür, dass mich so ein bisschen Regen nicht weiter interessierte, und lief den Korridor hinunter zum Aufzug. Das letzte Mal als ich ihn benutzt hatte, war Cio auch darin gewesen. War es wirklich erst ein Tag her, seit Diego uns in Italien aufgegabelt hatte? Es kam mir vor wie Wochen und Monate.
Als der Aufzug mit einem leisen Ton seine Ankunft ankündigte, stieg ich schnell hinein. Plötzlich hatte ich das brennende Bedürfnis nach frischer Luft. Hier drin würde ich noch ersticken. In der letzten Zeit war so viel geschehen. Wie viel konnte ein Mensch alleine verkraften, bis er unter dem Gewicht das auf ihm lastete, einfach zusammenbrach? Natürlich, ich wusste das von mir niemand etwas erwartete, außer dass ich vielleicht Anweisungen folgte, aber das nahm den Druck unter den ich mich selber setzte, nicht von mir.
Ungeduldig folgte ich der Leuchtanzeige, zählte im Kopf leise die Etagen mit runter, und sobald die Türen vor mir aufglitten, stürmte ich in die Eingangslobby des Hotels. Es war das erste mal dass ich sie betrat, aber ich hatte im Moment absolut keinen Blick für meine Umgebung. Ich bekam auch nur am Rande mit, dass da hinter der Rezeption eine Frau von ihrer Zeitung aufschaute, und mir mit dem Blick folgte, bis ich durch die doppelte Glastür hinaus ins Freie trat.
Der Regen war doch ein ganz kleinen Wenig stärker, als ich angenommen hatte. Es war nicht so, dass er wie eine Sturmflut auf mich niederfiel, aber ich spürte die einzelnen Tropfen doch sehr deutlich, und bekam fast im gleichen Moment Gänsehaut.
Fröstelnd rieb ich mir über die Arme, und überlegte einen Moment doch wieder ins Hotel zu verschwinden, doch dann würde ich wieder vor derselben Frage stehen. Wohin?
Nein, ich würde nicht wieder reingehen. Ich würde irgendwo anders schon ein Plätzchen finden, wo ich mich unterstellen könnte. Oder eben einfach durch den Regen spazieren. Hauptasche ich müsste nicht sofort wieder zurück in diese beengenden vier Wände, die das Karussell an Gedanken in meinem Kopf einfach nicht zum Stillstand kommen ließen.
Entschlossen machte ich, dass ich hier wegkam. Nur für ein kleines Weilchen. Der Regen ließ leider nicht nach, wurde aber auch nicht stärker.
Wie sollte es jetzt denn weitergehen? Nicht nur mit Cio, obwohl der mir im Moment wohl am heftigsten in meinem Kopf rumspukte.
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