Vergangene Narben
Was wir getan hatten … es war, um es mal zusammenzufassen, fantastisch gewesen. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so voller Zweifel, und doch gleichzeitig so wunderbar gefühlt. Er hatte gesagt, er bereute es nicht, hieß das, für ihn war es genauso schön gewesen? Oder würde ich jetzt einfach nur auf die Liste seiner Seitensprünge gesetzt werden?
Bei dem Gedanken biss ich die Zähne fest aufeinander, und beschleunigte meine Schritte etwas. Ich wollte nicht so sein wie die anderen, ich wollte etwas Besonderes für ihn sein, einen Platz in seinem Herzen haben, so wie er in meinem.
Langsam erwachte in der Stadt das Leben. Der frühmorgendliche Verkehr hatte schon eingesetzt, und immer wieder liefen Leute die Straße entlang. Die Köpfe schützend vor dem Regen gesenkt, eilten sie ihrem Ziel entgegen. Keiner Achtete auf mich. Warum auch? Ich war ja nichts besonders. Nicht für sie und auch nicht für Cio. Nur für meiner Eltern, aber die waren im Moment unerreichbar.
Bei den Gedanken an sie setzte wieder der Schmerz ein. Ich war mir so sicher gewesen, dass wir sie auf diesem Schiff finden würden, doch das Einzige was ich gefunden hatte, waren ein paar ziemlich stinkige Therianthropen gewesen.
Damit hatte ich auch meinen letzten Anhaltspunkt verloren. Wo sollte ich den jetzt nach ihnen suchen? Cheyenne könnte sicher helfen. Wenn wir nur das Problem mit den Werwölfen lösen könnten, dann würden wir uns endlich auf die Suche nach meinen Eltern machen, und ich wäre nicht dazu verdammt, hier nutzlos rumzusitzen, und auf etwas zu warten, von dem ich selber keine Ahnung hatte, was genau es war.
Aber so wie die Dinge lagen, waren wir Gefangene des Schicksals, und konnten nur darauf hoffen, dass es irgendwann besser werden würde.
Die Gedanken in meinem Kopf konnten einfach keine Ruhe finden. Ich lief weiter, immer weiter. Ein Gefühl für Zeit hatte ich nicht. Alles war irgendwie endlos, und doch ganz kurz, aber als der Regen dann heftiger wurde, war es dann wohl doch an der Zeit zum Hotel zurückzukehren. Ich wollte nicht. Wieder nur dumm rumsitzen, und auf etwas warten, dass nicht geschehen würde. Ich wollte endlich etwas unternehmen.
Sie tun nichts anderes als reden. Reden, reden, und noch mehr reden.
Cio hatte recht.
Wie es wohl sein würde, ihm wieder gegenüber zu treten? Nach dieser Nacht … ich wollte ihm nicht ausweichen, aber wie stand es mit ihm? Würde es ihm peinlich sein, oder würde er einfach so tun als wäre es nie geschehen? Ich wusste nicht, welche von beiden Varianten mir besser gefiel, aber eine andere Option gab es nicht, oder? Er würde sicher nicht einfach an diesem Punkt weitermachen.
Seufzend bog ich um die Ecke in die Straße des Hotels, und kolorierte frontal mit einer Männerbrust.
„Hoppla.“ Zwei strake Arme halfen mir im Gleichgewicht zu bleiben. „Wohin so eilig, Schäfchen?“
Oh nein, nicht jetzt schon. Das Schicksal konnte wirklich ein gemeines Aas sein. Ich hob den Kopf, und wie ich schon an der Stimme erkannt hatte, waren die starken Arme die mich da hielten, die von meiner nächtlichen Gesellschaft. Augenblicklich wurde mein Mund unter seinem prüfenden Blick ganz trocken. Unter diesen braunen Augen, die mich letzte Nacht hatten so viel sehen lassen, fühlen.
„Alles okay bei dir?“ Er neigte neugierig den Kopf. „Du wirkst etwas neben der Spur.“
Er war in der Zwischenzeit wieder angezogen, natürlich, er konnte ja nicht nackt auf der Straße rumaufen, aber ich wusste noch ganz genau, wie er unter dieser Kleidung aussah, und das machte es mir nicht gerade einfach den Mund aufzumachen.
„Zsa Zsa?“ Er beugte sich ein wenig vor. „Geht´s dir gut?“
„Ähm … ja. Ich …“ Ich trat einen Schritt von ihm weg, musste dieser Nähe einfach entkommen. „Ja, bei mir ist alles okay.“
„Gut … ähm, ich muss dann weiter. Wir sehen uns.“ Als er Anstalten machte an mir vorbeizugehen, konnte ich nichts dagegen tun, dass mir die nächsten Worte über die Lippen kamen.
„Ich dachte du bereust es nicht.“
Er blieb sofort stehen, und drehte sich zu mir um. Der Regen hatte nicht nur seine Kleidung durchnässt, auch seine Haare fielen ihm strähnig ins Gesicht. Irgendwie fehlte mir seine Mütze. „Du denkst ich bereu es?“, fragte er etwas überrascht. „Wie kommst du den auf den Blödsinn?“
Ich zuckte nur hilflos mit den Schultern, weil mir die richtigen Worte einfach nicht kommen wollten. Wie sollte ich das nicht denken, wenn er sich so
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