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Vergangene Narben

Vergangene Narben

Titel: Vergangene Narben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Markstoller
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eine großangelegte Suchaktion nach meinen Eltern starten.
    Diese aufkeimende Hoffnung war es gewesen, die mich gestern auch noch in tiefster Nacht immer weiter vorangetrieben hatte, und meine Pfoten jetzt auch wieder ganz kribbelig machte. Cio hatte recht gehabt, es war wirklich an der Zeit gewesen, endlich etwas zu unternehmen.
    „Ich würde sagen, eins bis zwei Stunden.“
    „Bitte?“
    Cio schmunzelte über meine Zerstreutheit.
„Wo bist du heute nur ständig mit deinen Gedanken?“
    „Bei meinen Eltern“,
sagte ich leise.
„Ich habe gerade an sie gedacht.“
    „Oh.“
Cio atmete einmal tief durch, als hätte er mit etwas anderem gerechnet.
„Na dann komm. In ein bis zwei Stunden müssten wir im Hof sein.“
Beim losgehen streifte sein warmer Körper meinen, lockte mich ihm zu folgen, weiter durch die unberührten Wälder der Ausläufer der Alpen.
    Schritt um Schritt trugen unsere Pfoten uns vorwärts, bestrebt unser Ziel zu erreichen. Cio versuchte sich zwischendurch immer wieder halbherzig an seinen kleinen Späßen, doch die anwachsende Anspannung konnte auch er damit nicht verbergen. Er wurde immer Wachsammer, blieb mit jedem Kilometer den wir zurücklegen immer häufiger stehen, um die Umgebung erneut zu sondieren. Seine Ohren wandten und drehten sich dabei in alle Richtungen, und je näher wir dem Hof kamen, desto öfter trafen wir auf Fährten von anderen Wölfen. Kalt, schal, alt. Sie waren keine Gefahr für uns. Noch nicht. Aber diese Witterungen würden sich früher oder später mit frischen tauschen, wobei ich auf später hoffte – viel später. Doch es war nicht der Geruch von einem Wolf, der uns kurz vor unserem Ziel halten ließ, sondern eine kleine Lichtung mit einem Teich, der von einer altern Trauerweide überschattet wurde.
    Ich war schon einmal hier gewesen, wurde mir bei dem Blick auf dem kleinen Grabstein klar. Nur war damals noch alles mit Schnee bedeckt gewesen. Es war der Abend gewesen, an dem Cio herausgefunden hatte, was ich wirklich war. Der Abend, an dem ich das erste und letzte Mal mit Flair durch diesen Wald gelaufen war. Damals, als meine Welt im noch in Ordnung war.
    Ich biss die Zähne zusammen. Wäre ich damals nichts ins Schloss gekommen, würde heute alles anders sein. Aber ich hätte auch vieles nie erlebt. Doch leider überwog der schlechte Teil den guten. Hätte ich doch nur niemals das Gespräch meiner Tante belauscht.
    Cio hielt wieder die Nase in die Luft, runzelte die Stirn. Plötzlich schien er wachsamer.
    „Was ist?“
    „Hier war vor kurzem ein anderer Wolf gewesen.“
Konzentriert ließ er den Blick über die Lichtung schweifen.
„Ich kenne den Geruch nicht, als muss es einer von Xaverines Wölfen sein.“
    Bei der Erwähnung des Namens sträubten sich mir die Nackenhaare
. „Ist er noch in der Nähe?“
    „Ich weiß nicht.“
Cio drehte seine Ohren in alle Richtungen, um auch jedes noch so kleine Geräusch auffangen zu könne.
„Ich höre jedenfalls nichts Ungewöhnliches.“
    „Das ist doch ein gutes Zeichen, oder?“
    „Ja und nein.“
Was genau er mit dieser Antwort meiner, erklärte er nicht näher, sah sich nur noch einmal um, und trat dann zurück in das Dickicht, wo er nicht so leicht zu bemerken war.
„Komm. Wir haben es fast geschafft.“
    Das zu hören, war sowohl beruhigend, als auch beängstigend. Einerseits hieß das, wir konnten bald hier weg, andererseits lag der schwierige Teil damit direkt vor uns.
    Leise schlich ich hinter Cio durchs Unterholz. Seine Angespanntheit griff auch auf mich über, und so zuckte ich bei jedem Geräusch sofort zusammen. Dabei war es egal, ob es nun der Schrei eines Vogels war, oder ein Ast, der unter meinen eigenen Pfoten zerbrach. Dem Ende unseres Wegs näher zu kommen, machte mich hypernervös.
    Ganz ruhig,
sagte ich mir selber.
Bald haben wir es geschafft, bald wir alles besser.
    Als Cio sich mit einem gezischtem
„Duck dich!“
auf den Boden kauerte, blieb mir vor Schreck beinahe das Herz stehen, nur um dann mit der Geschwindigkeit eines Düsenjets weiterzuschlagen. Und ich brauchte eine weitere Sekunde, um mir darüber klar zu werden, dass ich mich jetzt sofort ducken sollte, und nicht erst nächstes Jahr.
    Ich fiel praktisch wie ein Sack Kartoffeln in mich zusammen, und stieß mir die Nase dabei auch noch am Boden.
    „Leise“,
flüsterte Cio. Sein Blick war auf einen Fleck gerade vor sich durch den Busch gerichtet. Die Ohren aufgestellt, die Körperhaltung aufs Äußerste angespannt, beobachtete

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