Vergangene Narben
er auf mich zeigte, hatte ihn wohl nie jemand beigebracht, dass man mit einem nackten Finger nicht auf einen angezogenen Menschen deutete. „Und was macht sie überhaupt hier? Sie ist ein Vampir.“
Cheyennes warmer Blick sank um ein paar Grad. „Ob du es nun glaubst oder nicht, dass ist mir sehr wohl bewusst. Außerdem bin ich dir keine Rechenschaft schuldig.“
„Aber du hast noch nie ein Vampir mit ins Schloss gebracht“, protestierte er, als sei dies das schrecklichste Verbrechen seit Menschengedenken.
„Das ist nicht richtig“, korrigierte Cheyenne ihn. „Du hast es bisher nur nie mitbekommen, wenn ich vampirischen Besuch empfangen habe.“
Das ließ den Prinzen verblüfft den Mund schließen.
„Und nun geht, ich habe mit Zaira noch ein paar Dinge zu besprechen. Den richtigen Ordner lasse ich dir gleich bringen, damit du ihn noch durcharbeiten kannst, bevor du nachher runter nach Tenor gehst.“
Ayden sah kurz so aus, als wollte er noch etwas dazu sagen, brummte dann aber nur ein „Lasst uns abhauen“ in Richtung seiner Freunde, und verließ ziemlich angepiekt den Raum. Cio warf mir noch einen kurzen, nachdenklichen Blick zu, bevor er die Tür leise hinter sich ins Schloss zog, und mich damit mit Cheyenne allein ließ.
„Es tut …“
Sie legte hastig den Finger auf die Lippen, um mir zu zeigen, dass ich still sein sollte. Dann lauschte sie hinaus in den Korridor, bis sie erleichtert seufzte, und sich mit der Hand über die Schläfe rieb. „Das war knapp gewesen.“
„Tut mir leid. Ich hab gedacht Ayden wüsste das Sydney sein Vater ist.“
„Nein, das weiß er nicht, wir haben es ihm nie gesagt.“ Schwer ließ sie sich auf die Couch sinken, und verschränkte die Hände im Schoß. „Wir wollten es immer, wenn er älter ist, aber irgendwie hatte sich nie der richtige Moment ergeben. Ayden akzeptiert Sydney als meinen Gefährte, und er liebt ihn auch wie einen Vater, doch dieses Wort hat er nie benutzt. Er glaubt mit Leib und Seele, dass er von Nikolaj abstammt, und ich habe es nie über mich gebracht, ihn über die Wahrheit aufzuklären.“
„Das wusste ich nicht.“
Cheyenne sah zu mir auf. „Es wundert mich sowieso, dass du Bescheid weißt.“
Ich zuckte die Schultern. „Papa hat es mir erzählt.“
Ihr Seufzen erfüllte die Luft, so schwer war es. „Pass in Zukunft bitte einfach auf, was du sagst. Ich möchte nicht das Ayden es auf diese Art erfährt.“
Das konnte ich nur zu gut verstehen.
„Und leider bin ich auch nicht hergekommen, um unser Gespräch fortzusetzen, sondern um dir zu sagen, dass wir es verschieben müssen.“ Sie grinste leicht schief. „Der Schlossalltag will mich einfach nicht in Ruhe lassen.“
„Tja“, sagte ich und zuckte mit den Schultern. „Da kann man wohl nichts machen.“ Ob sie wohl die Enttäuschung in meiner Stimme hörte?
„Es tut mir leid. Wenn ich könnte, dann würde ich alle zum Teufel schicken, aber irgendwie tun die immer alle so, als würden sie ohne mich keinen Schritt geradeaus tun können. Und dann kommt alles ins Stocken. Und dann muss ich ja auch noch mit Master Jaques wegen dem Ball reden, und die Betawölfe sitzen mir im Nacken, und jetzt auch noch Hisam, und …“ Sie unterbrach sich, als sie merkte, wie sie ins Schwafeln kam. „Ich kann nur wiederholen dass es mir leid tut.“ Sie stand auf, um mir zögernd eine Hand auf die Schulter zu legen. „Und das was gerade passiert ist … nimm es Ayden bitte nicht übel, er steht momentan unter großem Druck. Natürlich entschuldigt das nicht, dass er dich so grob angefasst hat, aber er ist ein guter Junge.“
„Ist schon gut, ich versteh schon.“ Auch wenn es mir nicht passte. Mein Arm tat immer noch weh. Das würde sicher einen blauen Fleck geben.
„Nein, es ist nicht gut, und es tut mir leid, Zaira.“ Sie kniff kurz die Lippen zusammen. „Pass auf, Fira wird gleich kommen, und dich nach draußen bringen. Roland weiß Bescheid, dass du in Zukunft einige Aufgaben für mich erledigen sollst. Er wird sich also nicht wundern, wenn du nicht immer da bist.“
„Was denkt er denn, was ich tue?“
Ihr Mundwinkel zuckte. „Diego hat ihm erzählt, dass du so ein großer Fan von mir bist, und dass du mich davon überzeugen konntest, dir kleine Botengänge aufs Auge zu drücken, die außerhalb des Schlosses zu erledigen sind.“
„Ich bin dein Laufbursche?“
Sie zuckte hilflos mit den schmalen Schultern. „Etwas Besseres ist uns auf die Schnelle nicht eingefallen.“
Na super.
„Und morgen
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