Vergangene Schatten
...«
»Oh, da sind Sie, Miss Linton. Wenn Sie bitte das hier unterschreiben möchten, dann können Sie nach Hause gehen«, sagte eine Schwester, die mit einem Klemmbrett in der Hand ins Zimmer trat.
»Ich komme dann später und bringe dir dein Nachthemd und die anderen Sachen«, sagte Carly zu Sandra und unterschrieb die Entlassungspapiere.
Matt wartete auf dem Flur auf sie. Sie sprachen kaum ein Wort, als sie im Aufzug hinunterfuhren. Carly hatte nichts mitzunehmen als ihre Handtasche, nachdem die Kleider, die sie gestern Nacht getragen hatte, ruiniert waren; sie hätte sie aber ohnehin nie wiedersehen wollen, so lange sie lebte. Als sie zu der Drehtür kamen, die auf den Parkplatz hinausführte, stellte sie fest, dass sie ihre Tasche fast krampfhaft in der Hand hielt. Es war ihr soeben klar geworden, dass sie nach Hause zurückkehrte - in das Haus, wo sie gestern Nacht angegriffen worden war. Allein der Gedanke, noch eine Nacht in dem Haus zu verbringen, brachte ihr Herz zum Rasen.
Nachdem Sandra noch im Krankenhaus war, würde sie ganz allein im Haus sein. Und der Mann, der sie angefallen hatte, lief immer noch frei herum.
»Matt«, sagte sie kleinlaut, als er sie in den Streifenwagen einsteigen ließ und sich ans Lenkrad setzte. »Ich glaube nicht, dass ich wieder nach Hause kann. Nicht über Nacht. Nicht solange der Mann jederzeit wiederkommen kann.«
Sie empfand es als erniedrigend, dass ihre Stimme so zitterte, als sie ihm das beichtete.
Matt legte eine Hand um ihren Nacken, beugte sich zu ihr und küsste sie. Obwohl der Kuss eher beruhigend war und nichts Sexuelles an sich hatte, begann Carlys Herz schneller zu schlagen. Als er sich schließlich von ihr löste und den Wagen anließ, fühlte sie sich bereits viel besser.
»Hast du gedacht, ich würde das zulassen? Nein, du kommst zu mir in mein Haus, bis wir den Kerl gefasst haben.« Er sah sie mit ernster Miene an, während er über den Parkplatz zur Straße fuhr. »Deine Killerkatze ist schon bei mir, und deinen Hund können wir jetzt gleich mitnehmen. Hast du wirklich geglaubt, ich würde dich allein im Haus deiner Großmutter lassen nach dem, was gestern Nacht passiert ist?«
Carly sah ihn an und schüttelte den Kopf. In Wirklichkeit hatte sie bis zu diesem Augenblick gar nicht über diese Frage nachgedacht. Sie merkte einfach nur, dass sie eine wahnsinnige Angst davor hatte, in dieses Haus zurückzukehren. Doch jetzt, da sie darüber nachdachte, war ihr klar, dass Matt sie nie dort allein gelassen hätte. Wie sie zuvor zu Sandra gesagt hatte - er nahm seine Verantwortung sehr ernst.
Plötzlich erschien es ihr gar nicht mehr so schlimm, dass er sich für sie verantwortlich fühlte.
»Ich weiß, dass ich dich das schon einmal gefragt habe - aber es ist wirklich sehr wichtig«, begann er schließlich. »Gibt es irgendjemanden, der darauf aus sein könnte, dir etwas anzutun?« Als sie die Stadt erreichten, betrachtete Carly die aufwändig renovierten Fassaden der Geschäfte und die bunte Blütenpracht in den Blumenkübeln, die man da und dort aufgestellt hatte, um das Städtchen zu verschönern, das sich ansonsten seit ihrer Kindheit kaum verändert hatte. Das Leben in der Stadt ging allem Anschein nach wie an jedem anderen Tag seinen gewohnten Gang. Dabei hatte sich ihre eigene Welt praktisch über Nacht grundlegend verändert; sie war plötzlich dunkel und beängstigend. Doch die Sonne schien genauso wie immer, die Blumen blühten, und die Menschen führten ihr ganz normales leben.
Auch ihr Leben würde sich wieder beruhigen.
Carly schüttelte den Kopf. »Mir fällt niemand ein. Du kennst mich doch seit meiner Kindheit. Warum sollte mir irgendjemand etwas antun wollen? Wer kann so etwas wollen?«
»Nur damit du's weißt - ich lasse deinen Exmann überprüfen«, sagte Matt in grimmigem Ton.
»Na ... gut.« Im Moment hätte Carly nicht einmal etwas dagegen gehabt, wenn sie den Weihnachtsmann überprüft hätten, wenn es nur dazu beitrug, den Täter zu finden. »Aber es war bestimmt nicht John - und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er jemanden angeheuert haben soll, um mir etwas anzutun. Ich bin mir sicher, dass er nichts damit zu tun hat.«
»Aber wer könnte es sonst sein?«, sagte er ungeduldig.
»Könnte es nicht vielleicht irgendein Psychopath sein?« Wenn es so war, dann bestand immerhin die Hoffnung, dass er es aufgab und sich aus dem Staub machte. Sie hoffte sehr, dass es so war.
»Was meinst du selbst?«
Carly holte tief
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