Vergangene Schatten
hereinschaute, konnte sie ihn kaum hören. Carly ging zur Tür und versuchte sie mit zittrigen Händen zu öffnen. Antonio kam ihr schließlich zu Hilfe und öffnete die Tür für sie. Carly fühlte sich, als würde sie alles wie durch einen dichten Schleier wahrnehmen.
Matt blickte kurz in Carlys Gesicht und drückte sie an sich. Seine Arme schlössen sich sanft und doch kräftig um sie und hielten sie fest und geborgen. Sie war zu erschöpft, um sich in Erinnerung zu rufen, warum es wahrscheinlich ein Fehler war, sich so abhängig von ihm zu machen, und ließ ihre Stirn an seiner Brust ruhen. Er fühlte sich warm und fest an, und es tat so gut, von ihm festgehalten zu werden, dass ihr gar nicht bewusst wurde, dass sie ein interessiertes Publikum hatten. In Matts Armen fand sie nun einmal mehr Trost als irgendwo sonst auf der Welt. Der Gedanke hätte sie möglicherweise beunruhigt, wenn sie noch genug Kraft gehabt hätte, um sich über irgendetwas Sorgen zu machen.
»Was ist denn mit dem Hund passiert?«, fragte Matt die anderen über ihren Kopf hinweg, doch es war Carly selbst, die ihm antwortete.
Sie hob den Kopf und sagte: »Sie ist vergiftet worden.« Carly erschauderte bei dem Gedanken an das, was Annie hatte durchmachen müssen. Immer wieder sah sie Annies Augen vor sich, die voller Entsetzen waren und sie flehentlich ansahen, während sie sich vor Schmerzen im Gras wand. Carly erschrak zutiefst, hob sie hoch und lief los ...
»Vergiftet? Mit was für einem Gift denn?«, fragte Matt bestürzt.
»Es kann alles Mögliche gewesen sein. Rattengift, Unkrautvertilgungsmittel, vielleicht sogar Frostschutzmittel«, antwortete Antonio. »Bart...« - Bart Lindsey war der Tierarzt - »... hat gesagt, dass er es erst sicher sagen kann, wenn er einige Tests durchgeführt hat.«
»Es war doch wohl ein Unfall, nicht wahr?«, fragte Matt stirnrunzelnd.
»Wahrscheinlich.« Die Tür zwischen dem Warteraum und dem Sprechzimmer war rechtzeitig aufgegangen, damit der Tierarzt Matts Frage noch hatte hören können. Bart Lindsey war ein klein gewachsener rundgesichtiger Mann mit einer randlosen Brille und einem leicht vorstehenden Bauch. Mit seinem aufgeknöpften blauen Laborkittel und seinem zerzausten grauen Haar sah er ein wenig zerknittert und müde aus. »Sicher kann man es nicht sagen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es etwas anderes war, ist ziemlich gering. Oh, freut mich übrigens, dich mal wiederzusehen, Matt. Ich wünschte, die Umstände wären ein wenig erfreulicher. Du erinnerst dich doch an meinen Bruder Hiram, nicht wahr?« Er zeigte mit einem Kopfnicken auf den stämmigen weißhaarigen Mann in Khakihosen und einem blauen Laborkittel, der hinter ihm in den Warteraum kam. »Hiram hat die Praxis vorher gehört. Er hat sie mir vor zwanzig Jahren verkauft und ist nach Macon gezogen. Er war hier der Tierarzt, als du noch ein kleiner Junge warst.«
»Aber sicher erinnere ich mich noch an Hiram«, sagte Matt mit einem Kopfnicken.
»Ich würde sagen, es war mit ziemlicher Sicherheit ganz gewöhnliches Rattengift«, warf Hiram Lindsey ein. »Es sind die klassischen Symptome.«
Carly erschauderte, und Matts Arme schlössen sich etwas fester um sie.
»Gut, dass wir sie gesehen haben«, warf Erin mit leiser, tiefer Stimme ein, die Carly ein klein wenig an Matts Stimme erinnerte. »Alle anderen waren schon weg, nur Mike und ich waren noch draußen im Garten und haben ein wenig geplaudert, als der arme kleine Hund auf einmal zu zittern anfing und Schaum vor dem Mund hatte. Dann hat er gebrochen und ist einfach umgekippt. Bart hat gesagt, dass Annie gestorben wäre, wenn wir sie nicht rechtzeitig hergebracht hätten.«
»Heißt das, sie lebt noch?«, fragte Matt verwundert, als hätte Carlys Reaktion auf einen anderen Ausgang des Vorfalls schließen lassen.
»Ja«, antwortete Carly und lehnte sich wieder mit der Stirn an seine Brust. »Dr. Lindsey meint, dass sie wieder gesund wird.«
Dann schloss sie die Augen und atmete tief durch. Sie fürchtete, dass sie hier vor aller Augen in Tränen ausbrechen könnte.
»Du meine Güte«, murmelte Matt und drückte sie fest an sich. Wie immer schien er genau zu erahnen, wie sie sich fühlte.
»Können wir gehen, oder muss vielleicht jemand auf den Hund warten?«, fragte er mit etwas lauterer Stimme zum Tierarzt gewandt.
»Annie muss auf jeden Fall über Nacht hier bleiben, vielleicht auch ein wenig länger«, antwortete Bart Lindsey. »Armes Hündchen, sie hat eine Menge
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