Vergangene Zukunft
das bedeutet wohl den strengsten Test für wahre Zuneigung, den es gibt.) Und weil Mr. Boucher ein aufrichtiger Katholik war, hatte auch F & FS unter seiner Leitung sehr oft eine schwache Aura von Katholizismus. Aber sie wirkte stets angenehm und liberal, denn auch das lag in seinem Wesen.
So beschloß ich, mich Mr. Boucher zu Ehren selbst in dieser Aura zu versuchen. Natürlich konnte ich nicht nach katholischer Art schreiben, denn ich bin kein Katholik. Also führte ich mein Vorhaben auf die einzige mir mögliche Art aus – ich schrieb eine jüdische Geschichte. Wie ich glaube, die einzige jüdische Geschichte, die ich jemals geschrieben habe.
Und aus Mr. Mills’ Bemerkung Über Lefkowitz wurde nachstehende Erzählung.
Um zehn Uhr vormittags rutschte Sam Marten aus dem Taxi. Wie stets versuchte er, mit der einen Hand die Wagentür zu öffnen, mit der anderen die Aktenmappe festzuhalten und mit einer dritten nach seiner Geldbörse zu greifen. Da er aber nur zwei Hände hatte, fiel ihm die Durchführung dieser Absicht etwas schwer. Also stemmte er sein Knie gegen die Wagentür, wie stets, und seine Rechte tastete noch immer vergeblich nach der Geldbörse, während sein Fuß bereits den Bürgersteig berührte.
Der Verkehr der Madison Avenue floß vorbei. Ein roter Lastwagen verlangsamte widerstrebend sein Tempo und setzte sich ratternd wieder in Bewegung, als die Ampel grünes Licht zeigte. Eine weiße Aufschrift an der Seite informierte eine desinteressierte Welt darüber, daß dieser Lastwagen das Eigentum von F, Lewkowitz und Söhne, Textiliengroßhandel, war.
Levkovich, dachte Marten widersinnigerweise und fischte endlich seine Geldbörse aus der Rocktasche. Er warf einen Blick auf den Zähler und klemmte die Aktenmappe unter den Arm. Ein Dollar, fünfundsechzig Cent, plus zwanzig Cent Trinkgeld. Wenn er zwei Zehn-Cent-Stücke opferte, hatte er kein Kleingeld mehr für dringende Fälle. Es war besser, wenn er sich einen Fünfer wechseln ließ.
»Okay«, sagte er, »nehmen Sie Eins-fünfundachtzig heraus, mein Freund.«
»Danke«, sagte der Fahrer mit mechanischer Unaufrichtigkeit und gab das Wechselgeld heraus. Marten stopfte die drei Zehn-Cent-Stücke in die Geldbörse, steckte letztere ein, hob die Aktenmappe und kämpfte sich durch die Fußgängermassen bis zu der Glastür des Gebäudes vor.
Levkovich? dachte er angestrengt und blieb stehen. Ein Passant stieß an seinen Ellbogen.
»Sorry«, murmelte Marten und ging wieder auf die Tür zu.
Levkovich? Die Aufschrift auf dem Lastwagen hatte aber anders gelautet. Er hatte Lewkowitz gelesen. Warum dachte er dann an Levkovich. Wenn auch in seinem College-Deutsch sich die W’s kürzlich in V’s verwandelt harten, wie kam er dann auf das »ich«?
Levkovich? Ungeduldig schob er die ganze Angelegenheit beiseite. Wenn er sich nicht gegen diese Gedanken wehrte, würden sie ihn bald wie ein Schlager aus der Hitparade verfolgen.
Konzentration auf das Geschäft! Er war mit diesem Menschen, diesem Naylor, zum Lunch verabredet. Er war hier, um über einen wichtigen Vertrag zu verhandeln, um mit dreiundzwanzig Jahren einen karriereträchtigen Posten zu übernehmen, der ihn in zwei Jahren in die Lage versetzen sollte, Elizabeth heiraten zu können, wie geplant. Und der ihn in zehn Jahren zu einem wohlbestallten Familienvater irgendwo in einem Vorort machen sollte.
Er betrat die Vorhalle mit grimmiger Entschlossenheit und wandte sich den Aufzügen zu. Im Vorbeigehen flog sein Blick über die weißen Lettern der Lifttafeln.
Es war eine dumme Angewohnheit von ihm, im Vorübergehen zu versuchen, Zahlen- oder Buchstabenreihen aufzuschnappen, ohne den Schritt zu verlangsamen oder sogar stehenzubleiben. Er sagte sich, daß er auf diese Weise üben konnte, sich durch nichts ablenken zu lassen, stets zu wissen, was er wollte und welchen Weg er einzuschlagen hatte. Das war seiner Meinung nach sehr wichtig für einen Mann, dessen Job es war, mit Menschen umzugehen.
Kulinetten! Das war es, was er wollte. Das Wort amüsierte ihn. Eine ganz bestimmte Spezialisierung in der Produktion von Kleinküchen. In mannhafter Entschlossenheit und Ausdauer hatte man um diese Bezeichnung gerungen. Kulinetten – das klang einprägsam, feminin, keusch – alles zugleich.
Sein Blick hing an den M’s und bewegte sich nach oben, während er weiterschritt. Mandel, Lusk, Lippert-Verlag (zwei ganze Etagen), Lafkowitz, Kulinetten – das war es. 1024, zehnter Stock.
Und dann blieb er
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