Vergebung
Selbstverständlich ist landesweiter Alarm ausgerufen worden. Das Polizeiauto wurde um sechs Uhr in Alingsås gefunden. Dort löst sich die Spur erst mal in Luft auf. Wir vermuten, dass er das Fluchtfahrzeug gewechselt hat, bis jetzt ist aber keine Anzeige wegen Autodiebstahls eingegangen.«
»Die Medien?«, fragte Modig und warf Mikael einen entschuldigenden Blick zu.
»Das war ein Polizistenmord, wir ziehen hier alle Register. Für zehn Uhr ist eine Pressekonferenz angesetzt.«
»Weiß irgendjemand, wie es um Lisbeth Salanders Zustand bestellt ist?«, erkundigte sich Mikael. Er war seltsam uninteressiert an allem, was mit der Jagd auf Ronald Niedermann zu tun hatte.
»Sie ist in der Nacht operiert worden. Man hat ihr eine Kugel aus dem Kopf entfernt. Bis jetzt hat sie das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt.«
»Gibt es eine Prognose?«
»Wenn ich das richtig verstanden habe, müssen wir abwarten, bis sie aufgewacht ist. Aber der Arzt, der sie operiert hat, meinte, sie habe eine Chance, wenn keine weiteren Komplikationen dazukommen.«
»Und Zalatschenko?«, wollte Mikael wissen.
»Wer?«, fragte Erlanders Kollege, der in die Details der ganzen Geschichte noch nicht eingeweiht war.
»Karl Axel Bodin.«
»Ach so, ja, der ist in der Nacht auch operiert worden. Er ist mit der Axt im Gesicht und unterhalb der Kniescheibe getroffen worden. Sieht übel aus, aber die Verletzungen sind nicht lebensgefährlich.«
Mikael nickte.
»Sie wirken müde«, stellte Sonja Modig fest.
»Tja. Ich mache jetzt schon den dritten Tag beinahe durch.«
»Auf dem Weg von Nossebro ist er im Auto eingeschlafen«, erklärte Erlander.
»Schaffen Sie es, die ganze Geschichte noch mal von vorn zu erzählen?«, bat Holmberg. »Sieht ja ganz so aus, als stünde es ungefähr drei zu null für die Privatdetektive.«
Mikael lächelte schwach.
»Diese Aussage würde ich zu gerne von Bublanski hören«, meinte er.
Sie setzten sich in die Cafeteria der Polizeistation, um zu frühstücken. Mikael brauchte eine halbe Stunde, um Schritt für Schritt zu erklären, wie er sich die Story mit Zalatschenko zusammengebastelt hatte. Als er fertig war, schwiegen die Polizisten nachdenklich.
»In Ihrer Geschichte gibt es aber schon noch ein paar Löcher«, brach Jerker Holmberg schließlich das Schweigen.
»Vermutlich schon«, räumte Mikael ein.
»Sie erklären nicht, wie Sie in den Besitz dieses geheimen Berichts der SiPo über Zalatschenko gekommen sind.«
Mikael nickte.
»Den hab ich gestern zu Hause bei Lisbeth Salander gefunden, nachdem ich endlich herausgekriegt hatte, wo sie sich versteckt hielt. Sie hat den Bericht vermutlich in Nils Bjurmans Sommerhäuschen entdeckt.«
»Sie haben also Salanders Versteck gefunden«, sagte Sonja Modig.
Mikael nickte.
»Und?«
»Die Adresse müssen Sie schon selbst herausfinden. Lisbeth hat sich große Mühe gegeben, sich eine geheime Adresse zuzulegen, und ich möchte nicht derjenige sein, der sie preisgibt.«
Die Gesichter von Modig und Holmberg verfinsterten sich ein wenig.
»Mikael … das ist hier immerhin eine Morduntersuchung«, gab Sonja Modig zu bedenken.
»Und Sie haben immer noch nicht so richtig kapiert, dass Lisbeth Salander unschuldig ist und dass die Polizei ihre Privatsphäre in einer Art verletzt hat, die völlig beispiellos ist. Lesbische Satanistenbande, wie zum Teufel kommen Sie bloß auf so was? Wenn sie Ihnen sagen will, wo sie wohnt, dann wird sie das bestimmt auch tun.«
»Aber da ist noch etwas, was ich nicht verstehe.« Holmberg ließ nicht locker. »Was hat Bjurman mit dieser Geschichte zu tun? Sie behaupten, dass er die ganze Sache in Gang gebracht hat, indem er Kontakt mit Zalatschenko aufnahm und ihn bat, Salander zu töten … aber warum sollte er das tun?«
Mikael zögerte eine Weile.
»Ich tippe darauf, dass er Zalatschenko angeheuert hat, um Lisbeth Salander aus dem Weg zu räumen. Nicht Miriam Wu, sondern Lisbeth hätte eigentlich in diesem Lager in Nykvarn landen sollen.«
»Er war ihr rechtlicher Betreuer. Was sollte er für ein Motiv haben, sie aus dem Weg zu räumen?«
»Das ist ziemlich kompliziert.«
»Erklären Sie es.«
»Er hatte ein verdammt gutes Motiv. Er hatte etwas getan, was Lisbeth wusste. Sie stellte eine Bedrohung für seine Zukunft und seinen Wohlstand dar.«
»Was hat er denn getan?«
»Ich glaube, das erzählt Ihnen Lisbeth am besten selbst.« Er fing Holmbergs Blick auf.
»Lassen Sie mich raten«, mischte sich Sonja Modig ein.
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