Vergebung
die Kaffeemaschine einschaltete und sich unter die Dusche stellte. Sie ließ sich Zeit im Badezimmer und zog dann eine schwarze Hose, einen schwarzen Rollkragenpullover und eine rote Jacke an. Anschließend toastete sie sich zwei Scheiben Brot, belegte sie mit Käse, Avocadoscheiben und Orangenmarmelade und frühstückte im Wohnzimmer, während sie im Frühstücksfernsehen die Nachrichten um halb sieben verfolgte. Sie nahm einen Schluck von ihrem Kaffee und wollte gerade den Mund aufmachen, um von ihrem Brot abzubeißen, da hörte sie die Meldung:
Ein Polizist getötet und einer schwer verletzt. Dramatische Ereignisse in der Nacht, als die dreifache Mörderin Lisbeth Salander gefasst wurde.
Zunächst verstand sie die Zusammenhänge nicht ganz, weil sie annahm, Lisbeth Salander habe einen Polizisten umgebracht, aber dann verstand sie so langsam, dass man wegen des Polizistenmordes einen Mann suchte. Es wurde landesweit nach einem namentlich nicht genannten 37-jährigen Mann gefahndet. Lisbeth Salander lag anscheinend schwer verletzt im Sahlgrenska-Krankenhaus in Göteborg.
Annika wechselte den Nachrichtensender, wurde dadurch aber auch nicht schlauer. Schließlich griff sie zu ihrem Handy und wählte die Nummer ihres Bruders Mikael Blomkvist. Als sie hörte, dass der Teilnehmer vorübergehend nicht erreichbar sei, spürte sie einen Stich in der Magengrube. Mikael hatte sie am Abend zuvor angerufen, als er gerade auf dem Weg nach Göteborg war. Er hatte sich an die Fersen von Lisbeth Salander geheftet. Und an die eines Mörders namens Ronald Niedermann.
Als es hell wurde, entdeckte ein aufmerksamer Polizist Blutspuren auf dem Boden hinter dem Holzschuppen. Ein Polizeihund verfolgte die Spur bis zu einer Grube auf einer Waldlichtung, ungefähr vierhundert Meter nordöstlich des Bauernhofs in Gosseberga.
Mikael begleitete Kriminalinspektor Erlander. Nachdenklich betrachteten sie die Stelle. Problemlos konnte man eine große Menge Blut in der und rund um die Grube ausmachen.
Sie fanden sogar ein abgestoßenes Zigarettenetui, das offensichtlich als Handschaufel gedient hatte. Erlander legte das Etui in eine durchsichtige Plastiktüte für Beweisstücke und beschriftete den Fund. Dazu nahm er noch Proben von blutdurchtränkten Erdklumpen. Ein Polizist in Uniform machte ihn auf eine Zigarettenkippe der Marke Pall Mall aufmerksam, die ein paar Meter von der Grube entfernt lag. Auch diese wanderte in eine Plastiktüte und wurde etikettiert. Mikael erinnerte sich, dass er auf der Spüle in Zalatschenkos Haus eine Schachtel Pall Mall gesehen hatte.
Als Erlander in den Himmel blickte, sah er dicke Regenwolken. Der Sturm, der in der Nacht in Göteborg gewütet hatte, war abgezogen, doch war es nur noch eine Frage der Zeit, bevor es anfangen würde zu regnen. Er wandte sich an einen Polizisten und bat ihn, eine Plane zu besorgen, mit der man die Grube abdecken könnte.
»Ich glaube, Sie haben recht«, sagte Erlander schließlich zu Mikael. »Eine Blutanalyse wird wahrscheinlich ergeben, dass Lisbeth Salander in dieser Grube gelegen hat, und schätzungsweise werden wir auch ihre Fingerabdrücke auf dem Etui finden. Sie wurde angeschossen und begraben, muss aber irgendwie überlebt und es fertiggebracht haben, sich zu befreien und …«
»… und dann ist sie zum Hof zurückgegangen und hat Zalatschenko eine Axt in den Schädel gehauen«, beendete Mikael den Satz. »Sie ist schon ein Teufelskerl.«
»Aber wie zur Hölle ist sie mit Niedermann fertiggeworden?«
Mikael zuckte die Schultern. In dieser Hinsicht staunte er genauso wie Erlander.
2. Kapitel
Freitag, 8. April
Sonja Modig und Jerker Holmberg kamen kurz nach acht Uhr morgens am Hauptbahnhof in Göteborg an. Bublanski hatte sie angerufen und ihnen neue Anweisungen gegeben: Sie sollten nicht nach Gosseberga fahren, sondern stattdessen ein Taxi zur Polizeistation in der Nähe des Sportstadions Nya Ullevi am Ernst Fontells Plats nehmen, wo die Bezirkskriminalpolizei von Västra Götaland ihre Zentrale hatte. Dort warteten sie fast eine Stunde, bis Kriminalinspektor Erlander in Begleitung von Mikael Blomkvist aus Gosseberga eintraf. Dieser begrüßte Sonja Modig, die er schon früher kennengelernt hatte, und gab Jerker Holmberg die Hand. Danach teilte ihnen ein Kollege von Erlander erst einmal den neuesten Stand hinsichtlich der Jagd auf Ronald Niedermann mit. Ein ziemlich kurzer Bericht.
»Wir haben eine Fahndungsgruppe unter Leitung der Bezirkspolizei.
Weitere Kostenlose Bücher