Vergeltung
lassen.«
Die Eltern sahen Rebekka erschrocken an, dann nickten sie. Sie
tauschten die Telefonnummern aus, und Rebekka gab Mia eine Karte mit der Nummer
eines Psychologen, der Krisenhilfe leistete.
Mia begann erneut zu weinen.
»Ich brauche kein neues Schloss. Ich will nie mehr hier wohnen«,
schniefte sie, als sie in Begleitung ihrer Eltern die Wohnung verließ.
Als die Familie gegangen war, ging Rebekka zurück ins Badezimmer, wo
Thorkild Thøgersen gerade mit der vorläufigen rechtsmedizinischen Untersuchung
fertig war. Katjas Leiche lag auf einer großen Plastikfolie auf dem
Badezimmerboden. Der Rechtsmediziner kniete daneben. Er blickte zu Rebekka
hoch.
»Es gibt Anzeichen dafür, dass sie ermordet wurde. Sie ist unter
Wasser gedrückt worden und hat um ihr Leben gekämpft. Sehen Sie mal.«
Rebekka ging neben der Leiche in die Hocke, und Thorkild Thøgersen
zeigte auf Katjas Knöchel.
»Möglicherweise finden sich um die Knöchel auch Fingerabdrücke. Der
Täter hat sie vermutlich an den Knöcheln hochgezogen, sodass der Kopf unter
Wasser geraten und sie ertrunken ist.«
Rebekka erschauderte, und der Rechtsmediziner fuhr fort: »Aber sie
hat tapfer gekämpft. Sie hat Abdrücke auf Armen und Händen. Glücklicherweise
lag dieser Arm hier nicht im Wasser, und es sieht ganz so aus, als ob unter den
Nägeln Reste von Haut und Blut wären.« Thorkild Thøgersen lächelte zufrieden.
»Super, da hat der Täter nicht aufgepasst«, sagte Rebekka und
hoffte, dass die DNA ausreichen würde.
Der Rechtsmediziner lächelte kurz und freudlos.
»Das wollen wir hoffen.«
»Ich habe mir den alten Mordfall Lene Eriksen noch einmal angesehen
und das starke Gefühl, dass es sich um denselben Täter handelt, obwohl die
Vorgehensweisen unterschiedlich sind. Was meinen Sie?«
Rebekka sah den Rechtsmediziner an. Natürlich konnte er die Frage
nicht endgültig beantworten. Thorkild Thøgersen schnitt eine Grimasse, und die
tiefen Falten in seinem Gesicht verschoben sich leicht zu einer Seite hin.
»Das ist absolut denkbar. Mir ist selbst schon der Gedanke gekommen.
Die Morde an Lene Eriksen und Anna Gudbergsen gleichen einander sehr, und sie
hier«, Thorkild Thøgersen zeigte mit einem behandschuhten Finger auf Katja,
»gehört dem gleichen Freundeskreis an wie Anna Gudbergsen. Ihre Theorie ist
plausibel.«
Er vertiefte sich erneut in die Arbeit, und Rebekka sah sich die
Tote gründlich an und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Ein süßlicher
Leichengeruch hing in der Luft, vermischt mit dem schwachen Duft von Rosen.
»Ich bin mir ganz sicher. Das Motiv ist persönlich. Der Täter muss
ein Geheimnis haben, das Anna, Katja und Lene gekannt haben. Was haben sie
gewusst? Und gibt es noch andere, die über dieses Wissen verfügen?«, sagte sie
laut und seufzte.
Sie spürte, dass der Rechtsmediziner sie ansah. Er brummte
zustimmend, und sie fuhr sich müde mit der Hand über das Gesicht und fühlte
sich plötzlich von Gefühlen überwältigt, von denen sie sich normalerweise nicht
hinreißen ließ, wenn sie in einem Mordfall ermittelte. Sie verließ das
Badezimmer, wohl wissend, dass sie nichts anderes tun konnte, als auf die Ergebnisse
der Kriminaltechnik zu warten. Dann ging sie in Katjas Zimmer, das von zwei
jüngeren Kriminaltechnikern durchkämmt wurde. Sie kannte sie nicht, erkundigte
sich nur müde, ob sie etwas Interessantes gefunden hätten. Sie sahen sie mit
ausdruckslosen Mienen an und antworteten wie aus einem Mund: »Leider nicht.« Rebekka
nahm das Chaos in Augenschein. Kleider, Bücher und Papiere lagen überall auf
dem Boden verstreut, Schubladen und Schränke standen weit offen. Teit Jørgensen
tauchte neben ihr auf.
»Katjas Mörder hat offensichtlich nach etwas Wichtigem gesucht.«
Rebekka blickte sich um, und mit einem Mal fiel ihr Annas Tagebuch ein. Sie
wandte sich an die Kriminaltechniker.
»Suchen Sie nach einem Tagebuch. Vermutlich ist es nicht mehr da,
aber wir können immerhin hoffen, dass der Täter es nicht gefunden hat. Außerdem
suchen wir nach ihrem Handy.« Sie nickten und gingen weiter die Stapel durch.
Rebekka sah Teit Jørgensen an.
»Ich habe mehrmals versucht, Michael zu erreichen, er geht nicht an
sein Telefon. Wissen Sie, wo er ist?«
Teit Jørgensen schüttelte den Kopf.
»Keine Ahnung. Sie sehen total erschöpft aus. Gehen Sie schlafen,
dann können Sie mich in ein paar Stunden ablösen.« Er legte ihr eine Hand auf
den Arm. »Ich fahre jetzt mit Susanne zu Katjas
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