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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Hastrup
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Eltern, dann komme ich hierher
zurück und halte die Stellung.« Er ging zur Wohnungstür.
    Der Gedanke an eine warme Decke und einige Stunden Schlaf war
verlockend.
    »Gut, versprechen Sie mir anzurufen, falls etwas Entscheidendes
passiert«, sagte Rebekka. Sie holte im Wohnzimmer ihren Mantel und blieb einen
Moment unentschlossen stehen. Im Erker neben dem Sofa stand ein
Festnetztelefon.
    »Vielleicht habe ich Glück«, murmelte sie und drückte auf die
Wiederwahltaste. Die Nummer der Familie Mathiesen erschien mehrmals
hintereinander. Rebekka traute ihren Augen nicht. Sie sah John Mathiesen vor
sich. Das Gesicht mit den schönen, regelmäßigen Zügen, das breite Lächeln mit
den weißen gepflegten Zähnen. Sie erinnerte sich an die Kraft, mit der er sie
auf das Gerüst gezogen hatte.
    » Got ya « , sagte
sie leise und ging die Treppe hinunter.
    —
    Unten auf der Straße
versuchte sie noch einmal, Michael zu erreichen. Sein Handy war immer noch
ausgeschaltet. Sie merkte, dass Ärger in ihr aufstieg, gemischt mit Adrenalin,
das durch ihren Körper pumpte. Der Mond versteckte sich hinter einer Gruppe
schwarzer Wolken, und um sie herum war alles dunkel. Selbst die Geräusche der
Stadt wurden von der anbrechenden Nacht absorbiert. Sie hörte nur das
rhythmische Schlagen ihres Herzens.
    Auf dem Weg zurück zum Hotel kam sie
an Jens Ankers kleinem Haus vorbei. Die gelbe Farbe wurde von der Dunkelheit
verschluckt, das Haus glich jetzt einer kleinen grauen Schachtel. Die Gardinen
waren zugezogen, und alles sah verschlossen, fast tot aus. Sie bog um die Ecke
und erahnte schwach das Gemeindehaus, das wie ein schwarzer Koloss zu ihrer
Linken lag. Wieder erschien das Bild von John Mathiesen vor ihrem inneren Auge,
und sie spürte, wie sich ihre Muskeln anspannten. Sie fühlte sich wie ein
wildes Tier in der freien Natur, das sich instinktiv der Gefahr bewusst war.
Als sie fast an dem großen Gebäude vorbei war, sah sie, dass in einem Fenster
in der ersten Etage Licht brannte. Sie blieb abrupt stehen, wunderte sich kurz,
wer wohl mitten in der Nacht in der Kirche war, und kam zu dem Schluss, dass
das Licht aus John Mathiesens Büro kommen musste. Was mochte der
Freikirchenpfarrer an einem Sonntagabend zu so später Stunde noch machen? Der
Drang, ihn zur Rede zu stellen, meldete sich plötzlich, die Müdigkeit war wie
weggewischt. Sie fischte das Handy aus der Tasche und rief Teit Jørgensen an.
Er nahm nicht ab, und sie hinterließ eine Nachricht auf seiner Mailbox: »Hallo
Teit, Rebekka hier. Ich habe gerade herausgefunden, dass von Katjas Telefon aus
mehrmals die Familie Mathiesen angerufen wurde. Ich stehe jetzt vor der
Freikirche, es ist 23.48 Uhr, und in einem der Fenster brennt Licht. Ich möchte
mit John Mathiesen reden …« Die Verbindung wurde unterbrochen, ihr Handy hatte
keinen Strom mehr. Verdammt. Sie blieb einen Augenblick unentschlossen auf dem
Bürgersteig stehen, dann lief sie die Steintreppe hinauf und griff nach der
Kirchentür. Zu ihrer Verblüffung glitt sie laut knirschend auf. Es war dunkel
im Saal, und sie trat schnell ins Innere. Der Mond schien durch das Mosaikfenster
und zeichnete ein Muster in schwachen Grün-, Blau- und Rottönen auf den
schwarzen Steinboden. Einen Moment blieb sie stehen, bis sich ihre Augen an die
Dunkelheit gewöhnt hatten. Ihr Blick schweifte über das Taufbecken, die Kanzel
und den Jesus am Kreuz, der noch bedrückter aussah als neulich.
    Plötzlich hörte sie ein lautes Geräusch und fuhr erschrocken
zusammen. Sie griff nach der Pistole in ihrer Manteltasche und entsicherte sie,
dann stieg sie vorsichtig, mit angehaltenem Atem die breite Treppe hinauf. Sie
tastete sich mit einer Hand vor, bis sie den Treppenabsatz erreicht hatte. Die
erste Etage lag im Dunkeln. Sie schlich den langen Gang hinunter, während die Gedanken
durch ihren Kopf wirbelten. Wie sollte sie vorgehen? Mit großer Wahrscheinlichkeit
befand sie sich in unmittelbarer Nähe eines gefährlichen Mörders. Sie ging auf
die Tür von John Mathiesens Büro zu, blieb einen Augenblick stehen und
versuchte, ihren Atem unter Kontrolle zu bekommen. Ihr Herz raste, und der Puls
pochte hart in den Schläfen. Sie hoffte, dass Teit Jørgensen bald seine Mailbox
abhören würde, dann rief sie sich die Kampftechniken ins Gedächtnis, die sie
über die Jahre immer wieder trainiert hatte. Zögernd legte sie die Hand auf die
Türklinke und lauschte. Es war still. Sie trat kräftig gegen die Tür, in der
Erwartung, dass John

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