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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Hastrup
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Konturen
von den Dachsparren und dem Gerüst langsam deutlicher wurden. Sie hatte gerade
den Fuß auf die knirschenden Planken gesetzt, als der Schlag ihren Hinterkopf
traf, und sie mit lautem Getöse zu Boden fiel. Sie war noch nicht richtig
wieder zu sich gekommen, als ein weiterer harter Schlag sie ins Gesicht traf.
Es knirschte laut, und das Blut spritzte aus ihrer Nase. Dann wurde alles um
sie herum schwarz.
    Die Schmerzen weckten sie. Verwirrt schlug sie die Augen auf. Ihre
Umgebung drehte sich und aus ihrer Nase lief immer noch Blut in ihren Mund. Sie
blinzelte. Konnte verschwommen eine dunkle Gestalt ausmachen, die über sie
gebeugt stand.
    »John«, murmelte sie leise und kniff die Augen zusammen.
    Der Mond kam hinter einer Wolke hervor und schien oben durch das
Turmfenster. Jetzt erkannte sie die Gestalt. Es war nicht John Mathiesen, der
sich über sie beugte, sondern seine Frau, und Rebekka sah verwirrt zu ihr hoch.
    »Jane, sind Sie das?«, stöhnte sie.
    »Ja.«
    Jane Mathiesen stand unbeweglich da. Ihr Gesichtsausdruck kam
Rebekka seltsam vor. Sie musste einen Schock haben, wenn sie gerade begriffen
hatte, dass sie Tisch und Bett mit einem Mörder teilte.
    »Jane, ich bin verletzt. Man hat mich niedergeschlagen … Passen Sie
auf. Wir müssen uns in Sicherheit bringen, bevor …«
    Rebekka sprach eindringlich auf die Frau ein, doch Jane Mathiesen
reagierte nicht, starrte sie lediglich mit einem merkwürdigen, glasigen Blick
an.
    »Meine Pistole … sie muss hier irgendwo sein.« Rebekka tastete mit
den Händen über die Planken und Mauersteine.
    »Meinen Sie die?«, fragte Jane Mathiesen. Ein Klicken war im Dunkeln
zu hören, und langsam dämmerte Rebekka die Wahrheit. Sie schloss die Augen,
während die Angst von ihr Besitz ergriff. Das konnte nicht sein. Ausgerechnet
Jane Mathiesen. Rebekka schlug die Augen auf und blickte in die wahnsinnigen
Augen der Pfarrersfrau.
    »Rauf auf das Gerüst. Sofort«, zischte Jane Mathiesen und zog
Rebekka mit einer Hand vom Boden hoch, während sie mit der anderen die Pistole
auf sie richtete. Rebekka kam schwankend auf die Beine. Ihr war schwindelig,
sie hatte den Mund voller Blut, und ihr Kopf schmerzte höllisch. Jane Mathiesen
stieß sie unsanft zu dem Gerüst, und plötzlich wusste Rebekka, was sie
vorhatte. Sie wollte sie zwingen, von dem Gerüst zu springen.
    »Jane.« Blut tropfte aus ihrem Mund, während sie zu reden versuchte.
Sie merkte, dass einer ihrer Schneidezähne wackelte.
    »Hoch auf das Gerüst. Sofort.«
    Jane Mathiesen richtete die Pistole auf sie, und Rebekka griff nach
den Streben und schwang sich mit Mühe auf die erste Holzbohle.
    »Jane«, versuchte sie es erneut. »Damit kommen Sie nicht durch.
Meine Kollegen wissen, dass Sie die Morde begangen haben. Sie sind auf dem Weg
hierher.«
    Jane Mathiesen hielt einen Moment inne, und Rebekka hoffte
inständig, dass ihr Bluff funktionierte.
    »Sie lügen.« Jane Mathiesens Stimme zischte durch die Dunkelheit.
»Sie waren überzeugt, dass John es war.«
    Sie versetzte Rebekka einen harten Stoß, sodass sie sich die Stirn
an einer der Eisenstangen des Gerüsts aufschlug.
    Blut rann ihr in die Augen, der Schmerz war scharf und intensiv.
    »Los, weiter.«
    Rebekka humpelte zu der Leiter zur nächsten Holzbohle. Mit
zitternden Händen kletterte sie hoch ins Dunkel. Jane Mathiesen war hinter ihr,
die Pistole auf ihren Rücken gerichtet. Rebekka spürte ihren Atem im Nacken,
roch ihr Parfüm, einen schwachen Rosenduft, und hoffte, dass sie ihr so nahe
kommen würde, dass sie sie mit einem gezielten Tritt zu Fall bringen konnte,
doch Jane Mathiesen war klug genug, Abstand zu halten. Sie kletterten aufwärts,
ihr Atem ging stoßweise. Bei jedem Schritt, den Rebekka machte, schwankte das
Gerüst, und die Bretter knarrten unter ihnen. Rebekka tastete sich vor und
hangelte sich von einer Verstrebung zur nächsten. Wenige Minuten später waren
sie oben. Beide schnappten heftig nach Luft. Wieder schaute der Mond wie ein
gelbes Auge zum Turmfenster herein, und Jane Mathiesens Gesicht trat deutlicher
aus der Dunkelheit hervor.
    »Jane«, flüsterte Rebekka und hörte ihre heisere Stimme, die wie die
einer Fremden klang. »Warten Sie. Ich muss die Wahrheit wissen, den
Zusammenhang verstehen, verstehen, warum. Ich habe ein Foto gefunden …« Sie
kramte in ihrer Manteltasche nach dem Bild, doch es war nicht mehr da. Es
musste herausgefallen sein, als Jane Mathiesen sie angegriffen hatte. Unbeirrt
fuhr sie fort:

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