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Vergeltung am Degerloch

Vergeltung am Degerloch

Titel: Vergeltung am Degerloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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pädagogische Ziel lautete: Vergewaltigungen haben nichts mit Trieben zu tun, sondern sind Ausdruck der Herrschaft des Mannes über die Frau.
    »Das ist doch was«, raunte Krk und strich sich in seiner Mappe die einschlägigen Sätze an.
    Natürlich bekamen die Laientherapeutinnen keine Löh nung. Dafür fehlte dem Frauenreferat das Geld.
    »Sie haben doch selber den Gewinn«, sagte Krk. »Weniger Vergewaltiger, weniger Gefahr.«
    »Umnieten«, sagte ich.
    »Die einzige politische Handlung, die Sie sich vorstellen können, ist der Amoklauf, hm?«
    »Irrtum. Die Idee des Amoklaufs ist männlich. Es gibt kei ne Frauen, die herumballern.«
    »Da ist Gift die bessere Methode«, sagte Krk. »Frauen sind die besseren Mörder.«
    »Aha.«
    Krk grinste. »Man muss doch was in der Hinterhand haben, falls Sie anfangen sollten, Redakteure des Stuttgarter Anzeigers als Vergewaltiger zu denunzieren.«
    Das war deutlich. Dabei wusste ich nicht einmal, was Krk sich in seiner Vergangenheit als Lehrer eigentlich hatte zuschulden kommen lassen. Sein heutiger Artikel im Anzeiger war eher moderat gewesen:
    »Am Samstag wurde Uwe H. auf dem Alten Friedhof begraben. Die Leiche des 23-jährigen Fleischereimeisterschülers war am Montag früh in den Grünanlagen an der Johanneskir che in Stuttgart gefunden worden. Einen Tag später hatte sich eine junge Frau aus Lesbenkreisen bei der Polizei gemeldet und angegeben, Uwe ermordet zu haben. Zugleich hatte sie ausgesagt, der junge Mann sei zudringlich geworden und sie habe sich bedroht gefühlt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt auf Totschlag. Uwes Mutter erklärte am offenen Grab, ihr Sohn sei ein unauffälliger, friedlicher und tierlieber Junge gewesen, der keiner Fliege habe etwas zuleide tun können. Krk.«
    Als Fotograf war Krk nach meiner bescheidenen Einschätzung wirklich gut. Er hatte die Mutter erwischt, wie sie mit verbissenem Unterkiefer Sand ins Grab schaufelte, während der Pfarrer die Augen gen Wolkenhimmel verdrehte. Auf dem Zeitungsfoto sah sie aus, als bereite es ihr grimmige Befriedigung, ihren Sprössling zu überleben.
    Nach der Pressekonferenz bot ich ihm an, ihn zum Anzei ger hinaufzufahren. Das mit dem Getriebe seines Autos war of fensichtlich eine langwierigere Angelegenheit. Krk nahm erfreut und misstrauisch an. Kaum saß er auf dem Copilotensitz, er innerte er sich meiner Fahrweise, dröselte Vitamin-C-Bonbons auf und krampfte sich ein.
    »Haben Sie denn nichts Besseres zu tun«, erkundigte er sich tapfer, »als die Journalisten der Konkurrenz herumzufahren?«
    »Ich will was von Ihnen«, sagte ich. »Ich suche eine Leiche.«
    »In meinem Schreibtisch?«
    »Dort würde ich wohl höchstens Schnapsflaschen finden.«
    Krk grunzte verkrätzt.
    Im Pressehaus auf den Fildern arbeiteten die Redakteure in einem Großraumbüro, das mit Hilfe von Stellwänden in Kabäuschen unterteilt war. Die Fensterwand war fern. Über dem Labyrinth der Stellwände hing ein Hauch von Arbeitsdunst, vermischt mit Telefonjaulen, Computertastaturgeklapper und raunenden Stimmen. Krk winkelte sich in den Irrgarten. Soweit ich im Vorbeihasten sehen konnte, versuchten die meisten Kollegen, ihren Klausen mit Fotos, Plakaten und Pinups Persönlichkeit zu verleihen. Nicht so Krk. Die grünen Wände seines Kabuffs in der dunkelsten, hintersten Ecke waren bis auf einen Übersichtskalender nackt. Keine persönlichen Kennzeichen. Auf dem Tisch stand ein Computer. Krk war augenscheinlich ein sehr ordentlicher Mensch. Er hängte seinen dunkelgrauen Sakko über den Stuhl, leierte den Film aus seiner Kamera und verschwand kommentarlos.
    Ich setzte mich auf seinen Stuhl. In den Schreibtischschränken befanden sich keine Schnapsflaschen. Der Computer war in Ruhestellung. Ein Druck auf eine Taste genügte, um den Monitor anzustellen. Ich war gerade so weit, dass ich den Weg in die Agenturmeldungen gefunden hatte, da kam Krk wieder. Seine viel zu großen Augen waren leicht entzün det. »Finger weg.«
    Ich lehnte mich gegen den Sakkokragen. »Hier gibt es doch sicher ein Pressearchiv?«
    Vermutlich hätte er sich auf alles eingelassen, was mich aus seinem Schreibtischstuhl brachte. Er drehte sich wortlos um. Ich folgte ihm eilig. Er hatte einen hübschen runden Arsch, dem die abgescheuerten Jeans gut passten. Und er hat te offensichtlich niemanden, der ihm die Hemden bügelte.
    Das Archiv lag, wie es sich gehörte, im Keller, praktisch bombensicher. Hier wirkte eine gewisse Karin Becker, eine Dame in Faltenrock und

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