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Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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bei vollem Bewusstsein, während sich im Bunker ein Vakuum bildet, das sämtlichen Sauerstoff aus den Räumen zieht und sie langsam ersticken lässt.
    Als Dave den Bunker betritt, sind alle Mudschahedin in der ersten Kammer entweder tot oder liegen im Sterben. Einige der Leichen sind verkohlt, die Arme in der »Boxerhaltung« angewinkelt, die typisch ist für einen Feuertod. Andere umklammern ihre Kehlen, als hätten sie sie aufreißen wollen, um Luft zu bekommen. Wieder andere sind verschrumpelt, ihrFleisch hat sich wie die Schale einer Trockenfrucht um ihre zerquetschten Organe gerafft.
    Dave spürt kein Mitleid.
    Er weiß, wie es in dem Flugzeug ausgesehen haben muss.
    Er sucht die Leichen ab, sieht, dass Aziz nicht darunter ist. Natürlich nicht, denkt Dave, hier vorne ist er nicht. Er wird sich hinten verstecken, bereit zu fliehen.
    Aber ihm geht der Platz aus.
    Dave sieht das leichte Gefälle, das zu einer weiteren Stahltür führt.
    Über der Tür hängt eine Kamera.
    Dave blickt direkt hinein.
    Aziz starrt in das Durchschnittsgesicht eines Mannes, der alles andere als durchschnittlich ist.
    Es ist mit Schweiß und Schmutz verschmiert.
    Und Blut.
    Blutspritzer.
    Über seine Arme läuft noch mehr Blut.
    Aber es sind seine Augen, die Aziz zu schaffen machen.
    Sie sind grau oder blau – schwer zu sagen, und es ist auch nebensächlich.
    Entscheidend ist die unglaubliche Intensität, mit der sie ihn ansehen.
    Collins’ Frau und Sohn starben bei dem Absturz von Flug 211, und der ganze Schmerz ist in diesem Blick zu erkennen.
    Trauer, ja.
    Aber auch Zorn.
    Ein mörderischer Zorn.
    Aziz reißt sich vom Monitor los, geht zum Schließfach und nimmt die verschlossene Box mit dem BoNT heraus.
    Die Stellung hier im Barisangebirge ist nicht zu halten, das weiß er jetzt. Aber solange er das Gift hat, ist für ihn noch nichts verloren. Die Amerikaner haben hier vielleicht gewonnen, aber sie werden schon bald im eigenen Land viel größere Verluste hinnehmen müssen.
    »Hol Yusuf«, befiehlt er Muamar. »Hol ihn her, jetzt sofort.«
    Der alte Scheich befindet sich in seinem Quartier, tief im Inneren des Bunkers. Die Zeit reicht gerade noch, ihn herzuholen, bevor die Angreifer eindringen.
    Aziz hat noch zwölf Männer.
    Seine persönliche Leibwache.
    »Ihr habt die Ehre, shahid werden zu dürfen«, sagt er zu ihnen. »Schon bald werdet ihr den Duft von Rosen riechen. Ich beneide euch. Ich muss im Diesseits bleiben und Gottes Krieg führen. Wir sehen uns im Paradies wieder.«
    Er befiehlt ihnen, den Tunnel zu verteidigen, der zum Hangar führt.
    Damit sie dort als Märtyrer sterben.
    Dann geht er zum Helikopter.
    Oben auf dem Bunker sitzt Willem am MK47 und sieht zu.
    Er sieht sie kommen.
    Zwei Schützenpanzerwagen, gefolgt von Trucks.
    Es sind die von der Gasförderanlage zurückbeorderten Soldaten.
    »Bravo, wir bekommen Gesellschaft«, meldet er über Funk. »Wie läuft’s da unten?«
    »Noch bei der Arbeit«, sagt Donovan.
    »Überlegt euch, ob ihr nicht lieber fertig werden wollt«, sagt Willem.
    Der Kreis zieht sich immer enger um Ulrich.
    Die Mudschahedin kommen immer näher, drängen ihn immer höher den Berg hinauf zur Lichtung, wo er – schutzlos – zur Zielscheibe wird.
    Berge, denkt Ulrich, während er durchs Dickicht kriecht, eignen sich ausgezeichnet für ein letztes Gefecht.
    Der russische Mi24 »Hind«-Helikopter wird auch als »fliegender Panzer« bezeichnet. Zwei Klimow TW 3-117A Gasturbinen mit jeweils 2200 PS treiben ihn an, bei einem Rotorkreisdurchmesser von 17,3 Metern bringt er es selbst vollbeladen auf eine Höchstgeschwindigkeit von 335 Stundenkilometern. Der UPK-23-250-Maschinenkanonen-Behälter ist mit einer doppelläufigen 23-mm-Maschinenkanone GSch-23L sowie zwei UB-32 S-5 Raketenwerfern ausgestattet.
    Das sollte mehr als ausreichend sein, um Aziz sicher aus dem Gebirge zu fliegen.
    Die Ägypter führen Scheich Yusuf zum Hangar. Yusufs drei Leibwächter begleiten ihn, jeder trägt eine PP-2000 9mm-Maschinenpistole mit eingeklappter Schulterstütze.
    »Wir müssen weg von hier, baba «, sagt Aziz.
    Yusuf nickt seinem Sicherheitschef zu.
    Der hebt sein Gewehr.
    Für die nächste Tür reicht ein C4-Sprengsatz und eine weitere XM1060 macht den Weg durch den »tödlichen Trichter« frei.
    Dave geht zuerst, durch einen langen Gang mit gewölbter Decke. Auf jeder Seite Türen, die in Wohnräume führen.
    Niemand da.
    »Sauber!«, schreit Dave.
    Donovan kommt hinter ihm her, dann folgen Lev und

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