Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
von Diana und Jake. Ich werde nicht behaupten, dass ich mir vorstellen kann, wie es Ihnen geht, denn das kann ich nicht. Niemand kann das.«
Jetzt erinnert sich Dave – Wendelin gehörte zu den hochrangigen Offizieren, die die Arbeit der Task Force 145 und ähnlicher Einheiten überwachten.
»Aber«, sagt Wendelin jetzt, »Sie haben da ja ein paar irre Geschichten verbreitet.«
Dave antwortet nicht.
»Bei einer Explosion dieser Größenordnung«, sagt Wendelin, »zumal in der Luft, treten immer Anomalien auf. Und es liegt in der menschlichen Natur, Verschwörungstheorien zu erfinden. Das ist bei einem Flugzeugabsturz ganz normal. Niemand will glauben, dass ein banaler Funke zum Verlust geliebter Angehöriger geführt hat. Es muss etwas Gewichtigeres dahinterstecken. Vernünftige Menschen können sich endlos lange über die Bedeutung eines bestimmten Beweismittels streiten, aber ich bin hier, um ihnen zu versichern, dass – was auch immer mit diesem Flugzeug geschehen ist – es ein ganz gewöhnlicher Unfall war. Das ist die Wahrheit, und Sie müssen lernen, diese zu akzeptieren.«
»Das ist nicht die Wahrheit.«
»Mein Lieber, wollen Sie mich als Lügner beschimpfen?«
»Erstens bin ich nicht Ihr ›Lieber‹«, sagt Dave. »Und zweitens irren Sie sich, oder Sie sind tatsächlich ein Lügner.«
Der Soldat neben ihm ist Mitte dreißig, hat schwarzes Haar und eine Habichtnase – er trägt zivil, ist aber ganz offensichtlich militärisch ausgebildet. Er bedenkt Dave mit einem Blick, der einschüchternd wirken soll.
Was er aber nicht tut.
Dave schickt einen Blick zurück, der sagt: Wenn du dich mit mir anlegen willst, lass uns rechts ranfahren und aussteigen.
»Schon gut, Palmer«, beschwichtigt Wendelin.
Der Wagen biegt auf die Arlington Memorial Bridge, die über den Potomac führt.
Dave wendet sich wieder Wendelin zu. »Wenn ich herausfinden konnte, dass Abdullah Aziz den Befehl zum Abschuss des Flugzeugs gab, dann dürfte es Ihnen auch gelungen sein. Der Unterschied ist nur, dass Sie im Gegensatz zu mir nicht vorhaben, etwas zu unternehmen.«
Das Lincoln Memorial ragt jetzt vor ihnen auf.
Der Wagen biegt links in den Kreisverkehr.
»Sie und ich«, sagt Wendelin zu Dave, »haben in einer Welt gelebt, von deren Existenz die meisten Menschen glücklicherweise nie etwas erfahren werden. Wir können uns also ganz offen unterhalten. Major Collins, lassen Sie den Scheiß.«
»Dasselbe könnte ich Ihnen raten.«
Wendelin lächelt und sagt: »Mit Ihrem Vorhaben verstoßen Sie gegen ungefähr siebenundfünfzig bundesstaatliche Gesetze und weitere, die ich mir noch ausdenken werde. Ich stecke Sie ins Gefängnis, bis es in der Hölle schneit. Charlie Manson, Sirhan Sirhan und Jeffrey Dahmer kommen schneller aus dem Knast als Sie.«
»Dahmer ist tot.«
»Trotzdem kommt er vor Ihnen raus.«
Der Wagen biegt auf den Bacon Drive. Von seinem Fenster aus sieht Dave das Vietnam Memorial.
57 000 Namen sind in die Mauer dort eingraviert, denkt Dave, und wozu?
»Aber so weit muss es nicht kommen«, sagt Wendelin. »Geben Sie den Angehörigen ihr Geld zurück, hören Sie auf, und wir vergessen, dass je etwas vorgefallen ist.«
Dave dreht sich zu Wendelin um.
»Früher hatte ich mit Männern zu tun«, sagt er. »Männern, die dieses Land verteidigt haben und die niemals tatenlos zugesehen hätten, wie ihre Familien ermordet werden, nur weil ihnen das politisch zweckmäßig erschien. Im Leben hätte ich mir nicht erträumt, dass ich mal jemandem wie Ihnen begegne.«
Wendelin schießt Zornesröte in die Wangen. »Das war die falsche Antwort, Major. Jetzt muss ich verhindern, dass Sie sich und anderen schaden.«
Dave rammt Palmer seinen rechten Ellbogen an die Schläfe, greift über den überraschten Soldaten hinweg, stößt die Wagentür auf und Palmer hinaus.
Der Fahrer tritt auf die Bremse.
Dave springt raus.
✦
Keine Kugel im Rücken.
Dave geht über die Straße, rechnet fast damit, dass es ihn von hinten erwischt, aber eigentlich denkt er, werden sie in der Öffentlichkeit kein Risiko eingehen. Wenn sie mich tot sehen wollten, hätten sie mich längst umgebracht. Oder sich erst gar nicht die Mühe gemacht, mich zu warnen.
Er wirft einen Blick über die Schulter.
Palmer ist nicht zu sehen.
Aber der Linebacker.
Wahrscheinlich hat Palmer was abbekommen, denkt Dave, mindestens eine Gehirnerschütterung, deshalb schickt Wendelin den Fahrer.
Aber was soll er machen?
Sie wissen, dass ich mich
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