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Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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und Diana, vor dem Weihnachtsbaum in Montana.
    Im Raum wird es still.
    Niemand rührt sich, niemand sagt etwas.
    Ich hab’s nicht geschafft, denkt Dave.
    Ich hatte meine Chance, und ich habe sie vergeigt.
    Dann steht die Frau auf, die in der zweiten Reihe saß und ihn so wütend angesehen und den Kopf geschüttelt hatte. Sie blickt Dave unumwunden in die Augen und sagt mit kräftiger klarer Stimme: »Mein Name ist Elaine Hauser. Mrs Robert Hauser. Bob und ich waren fast vierzig Jahre verheiratet. Im April sollte er in Rente gehen, und wir wollten gemeinsam durchs Land reisen.«
    Sie greift in ihre Handtasche, zieht ein Heft und einen Stift heraus und stellt sehr gewissenhaft einen Scheck aus, dann tritt sie ans Rednerpult.
    »Das ist alles, was ich für das Leben meines Mannes bekommen habe«, sagt Elaine. »Bis auf den letzten Penny, ich will das Geld nicht. Ich will Gerechtigkeit.«
    Sie reicht Dave den Scheck.
    »Verschaffen Sie mir Gerechtigkeit.«
    Dann dreht sie sich um und verlässt den Saal.
    Einer nach dem anderen stellen sie jetzt Schecks aus, kommen nach vorne und überreichen sie Dave.
    Nicht alle, aber die meisten geben die komplette oder zumindest einen Teil der Abfindungssumme zur Finanzierung der Mission.
    Als Dave das Geld zählt, ist er sprachlos.
    Er hat über zweihundertachtzig Millionen Dollar gesammelt.
    David Collins zieht wieder in den Krieg.


    Dave übergibt Mike Donovan einen Scheck über eine Million Dollar.
    »Was ist das?«, fragt Donovan.
    »Ein Vorschuss.«
    In den diversen Krisengebieten der Welt dienen derzeit über 40   000 private Vertragspartner der amerikanischen Regierung, aber Donovan gehört nicht dazu.
    Er macht etwas ganz anderes.
    Donovan hat die Delta Force verlassen und eine Eliteeinheit der weltweit besten Soldaten aus den weltweit besten Spezialeinheiten zusammengestellt. Dieses Söldner-Dream-Team hat bereits in sämtlichen Krisengebieten der Welt Operationen durchgeführt – in Somalia, im Jemen, in Kolumbien, in Mexiko. Personenschutz, geheimdienstliche Razzien, Rettung von Entführungsopfern und ja, auch gezielte Mordaufträge.
    Dave und Donovan haben ein Treffen auf dem Arlington Cemetery verabredet.
    Dave hielt das für passend – so viele ihrer Freunde liegen dort. Er traf als erster ein, sah aber schon wenige Minuten später Donovan mit dem wogenden Schritt eines Mannes auf sich zukommen, dessen Knie ihren Besitzer zu häufig und über zu viele Jahre hinweg im Laufschritt über unebenes Gelände tragen mussten.
    Daves ehemaliger Commander ist einsfünfundneunzig groß, hundertzwanzig Kilo schwer, seine Haare sind immer noch dicht und schwarz, abgesehen vielleicht von ein paar wenigen silbergrauen Strähnen. Seine blauen Augen strahlen wie eh und je, seine Wangen sind genau so rosig, wie Dave sie in Erinnerung hatte. Jetzt betrachtet er den Scheck und fragt: »Ein Vorschuss wofür?«
    »Dafür, dass du die Augen nicht schließt.«
    Das war eine ihrer Redewendungen im Irak.
    Die Task Force 145 war in Balad stationiert – »Mortaritaville« wie Donovan es nannte, weil sie so gut wie täglich von Aufständischen unter Beschuss genommen wurden. »Das Gehege« war der den 145ern zugewiesene Teil des Luftwaffenstützpunkts und vom Rest des Geländes durch Betonabsperrungen getrennt, so dass nur Angehörige des Sonderkommandos Zutritt hatten.
    Meistens gingen sie aber nicht rein, sondern kamen raus.
    Sie kleideten sich wie Irakis, ließen sich Bärte stehen und die Haare wachsen. Auf Grundlage der »tödlichen Informationen«, die sie von Miriam und den anderen Vernehmungsoffizieren bekamen, fielen sie in bestimmte Gebäude in der Stadt oder den umliegenden Dörfern ein. Durch diese Überfälle gelangten sie an weitere Informationen – sie nahmen Gefangene, beschlagnahmten Laptops und Satellitentelefone – was wiederum zu Razzien führte – oftmals noch in derselben Nacht, nur wenige Stunden, manchmal Minuten später.
    »Wir sind Cops«, erklärte Donovan damals seinen Männern. »Wenn wir Informationen erhalten, bleiben wir nicht auf unseren Ärschen sitzen und denken noch mal drüber nach. Wir schlagen zu und ziehen weiter, schlagen erneut zu und ziehen wieder weiter – wir geben dem Feind keine Zeit, sich auszuruhen und Kräfte zu sammeln. Er muss wissen, dass wir ihm im Nacken sitzen. Wir schließen unsere Augen nicht.«
    Damit wollte er sagen, auch ihnen selbst blieb keine Zeit, sich auszuruhen und neue Kräfte zu sammeln.
    Zuschlagen und weiter,

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