Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
Vom Netzwerk:
links ist es eine Qual. Als würde gleich eine Rippe die Haut durchstoßen.
    Links, rechts, links, rechts.
    Jake, Diana, Jake, Diana.
    Seine Arme wollen aufhören, sie sind so müde, und sie tun so weh, und das Atmen schmerzt. Sein Körper will den Tod, friedlich ertrinken, unter die Wasseroberfläche gleiten und ausruhen, aber er sagt sich, dass in jedem seiner Schwimmzüge Vergeltung liegt. In jeder Beinbewegung.
    Willst du Vergeltung, dann mach weiter.
    Die Männer kommen jetzt zurück, sie schwimmen auf ihn zu.
    »Weiter, Dude!«, ruft ihm Cody aufmunternd zu. »Du darfst erst am Strand zusammenklappen, sonst verdiene ich nichts dran!«
    Dave schafft es zum Boot. Schlägt am Seitendeck an.
    Donovan sagt: »Komm rauf, Dave. Trink was.«
    Er zeigt ihm die Flasche Scotch.
    »Leck mich an meinem irischen Arsch!«
    Dave stößt sich vom Boot ab und macht kehrt.
    Der Unterschied zwischen Schwimmen und Laufen ist einfach – hört man auf zu laufen, fällt man um; hört man auf zu schwimmen, ertrinkt man.
    Ein großer Unterschied.
    Seine Schultern geben auf.
    Geben einfach auf.
    Wollen die Arme nicht mehr heben, also geht Dave zum Brustschwimmen über und gönnt ihnen eine Pause.
    Das ist langsamer, verhindert aber, dass er untergeht.
    Denk nicht an die vier Kilometer, die noch vor dir liegen.
    Denk nicht an den Strand.
    Nur …
    Links, rechts, links, rechts.
    Jake, Diana, Jake, Diana.
    Die Kälte wird zum Feind. Er spürt, wie sein Körper auskühlt, während die Wassertemperatur immer weiter sinkt, nach der abendlichen Flaute kommt jetzt wieder Wind auf, und Müdigkeit setzt ein.
    Kälte tötet den Schwimmer.
    Die Muskeln verkrampfen. Man verliert die Orientierung. Der Durchhaltewillen bricht.
    Das Wasser verschluckt ihn.
    Dave weiß, dass er der Letzte ist, weil er das Tuckern des Außenbordmotors hört, als Donovan mit dem Boot neben ihm aufschließt.
    »Steig ein, Dave. Ist keine Schande. Du bist verletzt.«
    Dave taucht unter die Oberfläche.
    Absichtlich.
    Um seine Bewegungsabläufe zu lockern, dem Wind auszuweichen und Donovan einen Schrecken einzujagen.
    Er taucht wieder auf und holt Luft.
    Ganz weit hinten sieht er die kleinen Wellen.
    Zu weit weg.
    Du schaffst es nicht.
    Steig ins Boot.
    Nein, ertrinke.
    Nein.
    Schwimm, du Arschloch.
    Links, rechts, links, rechts.
    Jake, Diana, Jake, Diana.
    Er hört die Wellen, bevor er sie sieht.
    Sie sind mit dem Wind näher gerückt, sind gleichzeitig ein Segen und ein Fluch, ein Versprechen und eine Bedrohung. Wenn er eine richtig erwischt, trägt sie ihn ans Ufer – wenn er sie falsch erwischt, reißt sie ihn unter Wasser und schleift ihn mitsamt seinen angeknacksten Rippen über den felsigen Grund.
    Aber wenn du dich nicht an eine Welle hängst, schaffst du’s nicht. Es ist zu weit bis ans Ufer, und du hast keine Puste mehr.
    Mit letzter Kraft schwimmt er an eine Welle heran. Erst hebt sie ihn, dann lässt sie ihn fallen, aber er hält das Gleichgewicht und wird vom Weißwasser an den Strand getragen.
    Angespült.
    Er ist nicht bewusstlos.
    Liegt aber am Ufer wie ein Schiffswrack.
    Ein Skelett.
    Nichts ist von ihm übrig.
    Der Stamm am Strand sieht aus wie ein umgestürztes Mahnmal zur Erinnerung an einen verlorenen Krieg.
    Etwas, das sich nicht mehr ändern lässt.
    Oder bewegen.
    Dave versucht es.
    Er stemmt sich hoch und taumelt auf den Baumstamm zu.
    Heb die Beine, sagt er sich.
    Er spannt die Wadenmuskeln an, aber der Stamm bewegt sich keinen einzigen Zentimeter.
    Eine Feuerwand lodert über die gesamte Brust hinweg.
    »Oh Gott!«, schreit er.
    Er versucht es noch mal … und noch mal … und noch mal.
    Er hat einfach nicht die Kraft.
    Dann bricht er zusammen.
    Liegt auf dem Stamm und schluchzt.
    Er schlägt mit der Faust darauf.
    Ich hab euch im Stich gelassen.
    Jake.
    Diana.
    »Was haben Major Collins und der Baumstamm gemeinsam?«, fragt Cody das restliche Team. »Beide rühren sich nicht vom Fleck.«
    Verhaltenes Gelächter, während die Männer im Camp stehen und zu der Gestalt runterblicken, die quer auf dem Stamm liegt, die Arme weit ausgestreckt, in silbriges Mondlicht getaucht.
    »Eins muss man ihm lassen«, sagt Simon. »Er hat’s versucht.«
    Die Männer tragen Uniform, Elitesoldaten aus aller Welt.
    Simon trägt das sandfarbene Barett der SAS, Michel das grüne des Korps Mariniers . Alessandro trägt das Abzeichen der 9ths Parachute and Wings auf seinem burgunderfarbenen Barett, Rolf die grüne Jacke und das braune Barett mit demFischadler, dem

Weitere Kostenlose Bücher