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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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gefallen war.
    »Und wer ist er nun?«, fragte sie schließlich.
    »Nur ein junger Kerl mit mehreren Jugendstrafen, der damals in Chatsworth lebte. Er hing oft in dem alten Autokino in der Winnetka rum, und offensichtlich waren dort auch Rebecca und ihre Freundinnen relativ häufig. Aber wie sich gezeigt hat, hatte er damals, 1988, nichts mit der Sache zu tun. Das wurde uns allerdings erst klar, nachdem wir ein paar Leuten sein Foto gezeigt hatten.«
    Es war eine Mischung aus der Wahrheit und Schattierungen der Wahrheit. Die Reporterin wurde wieder still, als sie über die Antwort nachdachte.
    »Wer hat Ihnen von ihm erzählt, Gordon Stoddard oder Bailey Sable?«, fragte Bosch. »Wir hatten das Foto in die Schule mitgenommen, um zu sehen, ob da vielleicht ein Zusammenhang bestand, aber wie sich herausstellte, ging er dort gar nicht zur Schule. Danach sind wir der Sache nicht weiter nachgegangen.«
    »Sind Sie da wirklich sicher?«
    »Schauen Sie, tun Sie meinetwegen, was Sie wollen, aber wenn Sie den Namen dieses Kerls in die Zeitung bringen, bloß weil wir ein paar Leute nach ihm gefragt haben, könnten Sie schon sehr bald von ihm und seinem Anwalt hören. Wir ziehen über eine Menge Leute Erkundigungen ein, McKenzie. Das ist unser Job.«
    Es folgte weiteres Schweigen. Dieses Schweigen bedeutete wohl, dass er die Bombe entschärft hatte.
    »Wir sind zur Schule gefahren, um uns das Jahrbuch anzusehen und ein paar Fotos herauszukopieren«, sagte Ward schließlich. »Wir mussten allerdings feststellen, dass Sie das einzige Exemplar für 1988, das sie in der Bibliothek hatten, ausgeliehen haben.«
    Das war ihre Art zu bestätigen, dass Bosch richtig vermutet hatte, ohne ihre Quelle preiszugeben.
    »Das tut mir Leid«, sagte Bosch. »Ich habe das Jahrbuch auf meinem Schreibtisch liegen. Ich weiß zwar nicht, wie viel Zeit Sie noch haben, aber wenn Sie möchten, können Sie jemanden vorbeischicken, um es abholen zu lassen.«
    »Nein, dafür reicht die Zeit nicht mehr. Wir haben in der Schule ein Foto von der Gedenktafel gemacht. Das wird auch seinen Zweck erfüllen. Außerdem habe ich in unserem Archiv ein Foto des Opfers gefunden. Das werden wir verwenden.«
    »Ich habe die Tafel gesehen. Sie ist schön.«
    »In der Schule sind sie sehr stolz darauf.«
    »Wäre das also jetzt geklärt, McKenzie?«
    »Ja, natürlich. Ich wurde nur ein bisschen unruhig, weil ich dachte, Sie würden mir etwas Wichtiges vorenthalten.«
    »Etwas Wichtiges habe ich nicht zu berichten. Jedenfalls noch nicht.«
    »Na schön, dann mache ich mich lieber wieder an die Arbeit und schreibe den Artikel fertig.«
    »Bleibt es dabei? Erscheint er morgen im Fenster?«
    »Wenn ich ihn fertig kriege. Rufen Sie doch einfach morgen an. Ich würde gern wissen, wie Sie ihn finden.«
    »Mache ich.«
    Bosch klappte das Handy zu und sah Rider an.
    »Ich glaube, wir sind aus dem Schneider.«
    »Also echt, Harry, du hast es heute aber wirklich drauf. Der Überredungskünstler. Langsam glaube ich, du könntest sogar einem Zebra seine weißen Streifen ausreden.«
    Bosch grinste. Dann schaute er am City Hall Annex in der Spring Street hoch. Aus dem Parker Center verbannt, operierte Irving inzwischen vom Annex aus. Bosch fragte sich, ob Mr. Clean vielleicht gerade von einem der verspiegelten Fenster des Office of Strategic Planning, des Büros für strategische Planung, auf sie herabblickte. Da fiel ihm etwas ein.
    »Kiz?«
    »Ja, was?«
    »Kennst du McClellan?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Aber du weißt, wie er aussieht?«
    »Klar. Ich kenne ihn von Besprechungen des Führungsstabs. Nachdem Irving in den Annex ausgelagert worden war, nahm er nicht mehr an ihnen teil, sondern schickte meistens McClellan als seinen Vertreter.«
    »Dann würdest du ihn also erkennen?«
    »Sicher. Aber worauf willst du schon wieder hinaus, Harry?«
    »Vielleicht sollten wir mit ihm reden, ihm einen kleinen Schreck einjagen und gleichzeitig Irving eine Botschaft zukommen lassen.«
    »Du meinst, jetzt gleich?«
    »Warum nicht? Wo wir gerade hier sind.«
    Er deutete auf den Annex.
    »Dazu haben wir jetzt keine Zeit, Harry. Warum außerdem einen Streit vom Zaun brechen, den man umgehen kann? Lassen wir Irving lieber aus dem Spiel, bis es sich nicht mehr umgehen lässt.«
    »Wie du meinst, Kiz. Aber irgendwann werden wir uns Irving vornehmen müssen. Da bin ich ganz sicher.«
    Darauf sagten sie nichts mehr, denn jeder beschäftigte sich in Gedanken mit dem Fall, bis sie das Glashaus erreichten

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