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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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sich dem Mercedes näherte. Bosch, der im Schatten der Heckklappe auf der Ladefläche saß und die Daily News las, blickte auf. Er winkte dem Fahrer des Abschleppwagens mit der Zeitung zu und stand auf. Der Abschleppwagen fuhr am Mercedes vorbei und auf den Seitenstreifen. Dann stieß er zurück und hielt zwei Meter vor dem Mercedes an. Der Fahrer stieg aus. Es war Roland Mackey.
    Die Handflächen seiner Lederhandschuhe waren dunkel von Öl. Ohne von Bosch Notiz zu nehmen, blieb er am Vorderrad stehen und sah auf den platten Reifen hinab. Als Bosch, immer noch mit der Zeitung in der Hand, nach vorn kam, ging Mackey in die Hocke und untersuchte das Ventil. Er streckte die Hand danach aus und bog es hin und her, sodass der Schlitz, den Bosch gemacht hatte, sichtbar wurde.
    »Sieht fast so aus, als ob es jemand aufgeschnitten hätte«, sagte Mackey.
    »Vielleicht ein Stück Glas von der Straße oder irgendwas in der Art«, sagte Bosch.
    »Und kein Reservereifen. Ist das nicht eine Sauerei?«
    Er schaute zu Bosch hoch und kniff wegen der Sonne, die hinter Bosch unterging, die Augen zusammen.
    »Kann man wohl sagen.«
    »Also, ich kann Sie abschleppen, und dann macht Ihnen unser Mechaniker ein neues Ventil rein. Dauert etwa fünfzehn Minuten, sobald wir in der Werkstatt sind.«
    »Okay. Ab dafür.«
    »Geht das auf AAA oder Versicherung?«
    »Weder noch. Cash.«
    Darauf erklärte ihm Mackey, das würde 85 Dollar fürs Abschleppen machen, plus 3 Dollar für jede Meile, die er abgeschleppt wurde. Das Auswechseln des Ventils würde 25 Dollar kosten, zuzüglich der Kosten für das Ventil.
    »Okay, ab dafür«, sagte Bosch noch einmal.
    Mackey richtete sich auf und sah Bosch an. Er schien direkt auf Boschs Hals zu schauen und dann weg. Er sagte nichts über die Tattoos.
    »Machen Sie lieber mal die Heckklappe zu«, sagte er stattdessen. »Außer es macht Ihnen nichts, wenn Sie unterwegs alles verlieren.«
    Er grinste. Ein bisschen Abschleppfahrerhumor.
    »Ich hole nur noch mein Hemd hinten raus«, sagte Bosch. »Okay, wenn ich bei Ihnen mitfahre?«
    »Klar. Außer Sie wollen ein Taxi rufen und richtig nobel gefahren werden.«
    »Da fahre ich lieber mit jemandem, der Englisch spricht.«
    Mackey lachte laut, und Bosch ging zum Heck des Mercedes. Er stand ein Stück abseits, als Mackey sich daran machte, den Geländewagen anzuhängen. Es dauerte keine zehn Minuten, bis Mackey einen Hebel an der Seite des Abschleppwagens niederdrückte und das Vorderteil des Mercedes in die Höhe hob. Als es ihm hoch genug war, prüfte er den Sitz der Ketten und Haltevorrichtungen und sagte, dass sie losfahren könnten. Als Bosch in den Abschleppwagen stieg, hat te er das Hemd über dem Arm und die gefaltete Zeitung in der Hand. Sie war so gefaltet, dass das Foto von Rebecca Lost zu sehen war.
    »Haben Sie in der Karre hier eine Klimaanlage?«, fragte Bosch, als er die Tür zuzog. »Im Freien schwitzt man ja wie eine Sau.«
    »Ging mir genauso. Sie hätten die Klimaanlage laufen lassen und in Ihrem Auto sitzen bleiben sollen, während Sie auf mich gewartet haben. Im Sommer hat diese Scheißkarre keine Luft und im Winter keine Heizung. Fast wie meine Ex-Frau.«
    Eine weitere Kostprobe Abschleppfahrerhumor, nahm Bosch an. Mackey reichte ihm ein Klemmbrett mit einem Formular und einem Stift daran.
    »Füllen Sie das aus«, sagte er. »Dann können wir los.«
    »Okay.«
    Bosch begann, den falschen Namen und die falsche Adresse, die er sich zuvor ausgedacht hatte, in das Formular einzutragen. Mackey zog ein Mikrofon vom Armaturenbrett und sprach hinein.
    »Hey, Kenny?«
    Kurz darauf kam die Antwort.
    »Ja?«
    »Sag Spider, er soll noch nicht Schluss machen«, sagte Mackey. »Ich bringe einen Reifen rein, der ein neues Ventil braucht.«
    »Da wird er aber nicht begeistert sein. Er hat sich schon gewaschen.«
    »Sag ihm einfach Bescheid. Ende.«
    Mackey steckte das Mikrofon in den Halter am Armaturenbrett zurück.
    »Glauben Sie, er bleibt noch?«, fragte Bosch.
    »Hoffen Sie mal lieber. Sonst können Sie bis morgen auf Ihren Reifen warten.«
    »Das geht nicht. Ich muss unbedingt noch heute zurückfahren.«
    »Ja? Wohin?«
    »Nach Barstow.«
    Mackey ließ den Abschleppwagen an und drehte den Oberkörper nach links, um aus dem Seitenfenster schauen zu können, als er vom Seitenstreifen auf die Straße ausscherte. Da er Bosch in diesem Moment nicht sehen konnte, zog dieser rasch den linken Ärmel seines T-Shirts hoch, sodass mehr als die Hälfte des

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