Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
war ein Grund, warum es dort etwas besser auszuhalten war. Aber Ihren Freund habe ich wahrscheinlich gerade verpasst. Ich bin nämlich Anfang 1998 rausgekommen.«
    »Frank Simmons. So hieß er. Er war nur achtzehn Monate oder so da. Er war aus Fresno.«
    »Frank Simmons aus Fresno«, sagte Bosch, als versuchte er, sich an den Namen zu erinnern. »Glaube nicht, dass ich ihn kannte.«
    »Echt starker Typ das.«
    Bosch nickte.
    »Es gab da einen Kerl, der ein paar Wochen, bevor ich rauskam, eingeliefert wurde. Er war, glaube ich, aus Fresno. Aber was soll ich sagen, ich stand damals kurz vor der Entlassung und hatte nichts am Hut damit, neue Leute kennen zu lernen, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    »Klar, schon okay. Ich dachte ja nur, wissen Sie.«
    »Hatte dieser Freund von Ihnen dunkle Haare und massenhaft Pickelnarben im Gesicht?«
    Mackey begann zu lächeln und zu nicken.
    »Genau, das ist er!, Das ist Frank. Wir haben ihn Kraterfresse genannt.«
    »Fand er sicher ganz toll.«
    Der Abschleppwagen bog in die Tampa und fuhr dann nach Norden weiter. Bosch bekäme in der Tankstelle, wenn der Reifen repariert wurde, vielleicht noch mehr Zeit mit Mackey, aber darauf durfte er nicht zählen. Es konnte jederzeit ein anderer Abschleppauftrag oder sonst etwas dazwischenkommen. Er musste die Sache jetzt zum Abschluss bringen und den Anstoß geben, solange er mit Mackey allein war. Er griff nach der Zeitung und legte sie in seinen Schoß. Dabei blickte er auf sie hinab, als läse er die Schlagzeile. Er musste sich eine Möglichkeit einfallen lassen, das Gespräch unverfänglich auf den Lost-Artikel zu lenken.
    Mackey nahm die rechte Hand vom Steuer und biss, um den Handschuh auszuziehen, in einen der Finger. Es erinnerte Bosch an die Art, wie Kinder Handschuhe auszogen. Dann reichte ihm Mackey die Hand.
    »Ich bin übrigens Ro.«
    Bosch schüttelte ihm die Hand.
    »Ro?«
    »Das ist kurz für Roland. Roland Mackey. Freut mich.«
    »George Reichert«, sagte Bosch und nannte ihm den Namen, den er sich nach langer, reiflicher Überlegung zugelegt hatte.
    »Reichert?«, sagte Mackey. »Deutscher Name, oder?«
    »Er bedeutet ›Herz des Reichs‹.«
    »Ist ja stark. Deshalb wahrscheinlich auch der Mercedes. Wissen Sie, ich hab den ganzen Tag mit Autos zu tun. Es sagt viel über jemanden aus, was für ein Auto er fährt und wie er es pflegt.«
    »Wahrscheinlich.«
    Bosch nickte. Er sah jetzt den direkten Weg zu seinem Ziel. Wieder hatte ihm Mackey unwissentlich geholfen.
    »Deutsche Wertarbeit«, sagte Bosch. »Sie machen mit Abstand die besten Autos. Was fahren Sie denn, wenn Sie nicht mit dem Abschleppwagen unterwegs sind?«
    »Ich richte gerade einen Zweiundsiebziger Camaro her. Wird ein starker Schlitten, wenn ich damit fertig bin.«
    »Guter Jahrgang«, sagte Bosch.
    »Auf jeden Fall. Heute würde ich nichts mehr kaufen, was aus Detroit kommt. Sie wissen, wer heute unsere Autos baut, oder? Lauter Mischlingsgesocks. Ich würde mich jedenfalls nicht in so eine Dreckskarre setzen, und meine Familie würde ich da schon gar nicht einsteigen lassen.«
    »In Deutschland«, antwortete Bosch, »wenn Sie da in eine Fabrik gehen, hat jeder blaue Augen, wenn Sie wissen, was ich meine. Ich habe Fotos gesehen.«
    Mackey nickte nachdenklich. Bosch fand, es wurde Zeit, den letzten Schritt zu machen. Er faltete die Zeitung in seinem Schoß auseinander. Er hielt sie so hoch, dass die ganze Titelseite und somit der vollständige Lost-Artikel zu sehen war.
    »Apropos Mischlingsgesocks«, sagte er. »Haben Sie das da gelesen?«
    »Nein – was steht da?«
    »Da ist eine Mutter, die auf dem Bett sitzt und immer noch wegen ihrem Mischlingskind rumflennt, das vor siebzehn Jahren umgebracht wurde. Und die Polizei versucht jetzt wieder, den Mord aufzuklären. Aber ich meine, wen interessiert das schon, Mann?«
    Mackey schaute auf die Zeitung und sah das Foto mit Rebecca Losts Gesicht oben in der Ecke. Er sagte jedoch nichts, und seine Miene verriet keinerlei Wiedererkennen. Um es nicht zu übertreiben, ließ Bosch die Zeitung sinken. Er faltete sie wieder zusammen und legte sie zwischen sich und Mackey auf den Sitz. Dann ging er noch einen Schritt weiter.
    »Ich meine, da mischt man die Rassen so wie hier, und was kommt dabei heraus?«
    »Genau«, sagte Mackey.
    Die Antwort kam nicht mit Nachdruck, sondern fast abwesend, so, als dächte er über etwas anderes nach. Bosch fasste das als ein gutes Zeichen auf. Vielleicht hatte Mackey gerade einen kalten

Weitere Kostenlose Bücher