Vergessene Stimmen
Finger über sein Rückgrat streichen spüren. Vielleicht zum ersten Mal seit siebzehn Jahren.
Bosch hatte alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Wenn er noch dicker auftrug, riskierte er, dass Mackey Lunte roch. Er beschloss, nichts mehr zu sagen, und Mackey schien den gleichen Entschluss gefasst zu haben.
Doch ein paar Straßen weiter scherte Mackey links aus, um einen langsam fahrenden Pinto zu überholen.
»Ist das zu fassen?«, bemerkte er dabei. »Dass sich jemand mit so einer Kiste noch auf die Straße traut?«
Als sie den Kleinwagen überholten, sah Bosch einen Mann asiatischer Abstammung vornübergebeugt am Steuer sitzen. Bosch dachte, er könnte Kambodschaner sein.
»Na also«, brummte Mackey, als er den Fahrer sah. »Passen Sie mal auf.«
Mackey fuhr wieder auf die rechte Fahrbahn und schnitt den Pinto, sodass dessen Fahrer keine andere Wahl blieb, als abrupt zu bremsen. Mackeys Gelächter übertönte das schwache Hupen des Pinto.
»Du Arsch!«, schrie Mackey. »Verpiss dich doch auf dein Scheißboot!«
Er sah um Bestätigung heischend zu Bosch hinüber, und Bosch lächelte. So schwer war ihm schon lange nichts mehr gefallen.
»Hey, Mann, das war mein Wagen, mit dem Sie diesen Typ da fast gerammt hätten«, protestierte er scherzhaft.
»Waren Sie in Vietnam?«, fragte Mackey.
»Warum?«
»Nur so, Mann. Sie waren doch da, stimmt’s?«
»Na und?«
»Ich hatte einen Freund, der auch da war. Meinte, sie hätten Schlitzaugen wie diesen Penner da eben weggeputzt wie nichts. Ein Dutzend zum Frühstück und zum Mittagessen gleich noch mal so viele. Da wäre ich auch gern gewesen, das wollte ich damit sagen.«
Bosch wandte den Blick von ihm ab und schaute aus dem Seitenfenster. Mackeys Statement verschaffte ihm einen Anknüpfungspunkt, um auf Waffen und das Töten von Menschen zu sprechen zu kommen. Aber Bosch konnte sich nicht dazu durchringen. Plötzlich wollte er nur noch weg von Mackey.
Aber Mackey redete weiter.
»Ich wollte mich freiwillig für den Golfkrieg melden – den ersten –, aber sie haben mich nicht genommen.«
Bosch hatte sich wieder etwas gefangen und ging darauf ein.
»Und warum nicht?«, fragte er.
»Keine Ahnung. Schätze mal, sie haben den Platz für einen Nigger gebraucht.«
»Oder Sie waren vorbestraft.«
Bosch hatte sich zu ihm herumgedreht, als er das sagte. Er dachte sofort, es hätte sich zu vorwurfsvoll angehört. Mackey drehte sich ebenfalls zu ihm herum und hielt seinem Blick so lange stand, bis er ihn wieder auf die Straße richten musste.
»Na schön, dann habe ich eben ein paar Vorstrafen, Mann. Wen juckt das schon groß? Sie hätten mich dort drüben trotzdem gut gebrauchen können.«
An diesem Punkt kam die Unterhaltung zum Erliegen, und kurz darauf kamen sie an der Tankstelle an.
»Ich glaube, ich muss gar nicht extra in die Werkstatt fahren«, sagte Mackey. »Spider soll das Rad abmontieren, solange ich Sie noch hinten hängen habe. Das machen wir auf die Schnelle.«
»Ganz, wie Sie wollen«, sagte Bosch. »Sind Sie denn sicher, dass er noch nicht gegangen ist?«
»Klar. Da ist er doch.«
Als der Abschleppwagen an der Werkstatt vorbeifuhr, tauchte aus ihrem dunklen Inneren ein Mann auf und ging auf das Heck des Abschleppwagens zu. In einer Hand hielt er einen Pressluftschrauber, mit der anderen zog er den Luftschlauch hinter sich her. Bosch sah das auf seinen Hals tätowierte Spinnennetz. Knasttusche. Irgendwie kam Bosch das Gesicht des Mannes sofort bekannt vor. In einem Anfall von Panik befürchtete er, den Mann zu kennen, weil er als Cop mit ihm zu tun gehabt hatte. Weil er ihn einmal festgenommen oder verhört, ihn vielleicht sogar hinter Gitter gebracht hatte, wo er sich dann das Spinnennetz hatte machen lassen.
Bosch war sofort klar, dass er sich von dem Mann, der mit Spitznamen Spider hieß, fern halten musste. Er nahm das Handy von seinem Gürtel.
»Ist es okay, wenn ich noch kurz im Wagen sitzen bleibe und telefoniere?«, fragte er Mackey, als dieser ausstieg.
»Klar, kein Problem. Wird nicht lange dauern.«
Mackey schloss die Tür und ließ Bosch allein. Als Bosch hörte, wie die Schrauben am Rad seines Geländewagens gelöst wurden, ließ er das Fenster hoch und rief Rider auf ihrem Handy an.
»Wie läuft’s?«, fragte sie statt eines Grußes.
»Bestens – bis wir zur Tankstelle gekommen sind«, sagte Bosch leise. »Ich glaube, ich kenne den Mechaniker. Wenn er mich erkennt, haben wir ein Problem.«
»Meinst du, er weiß, dass du
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