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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Totenkopf-Tattoos zu sehen war.
    Der Abschleppwagen scherte aus und fuhr los. Bosch schaute aus dem Seitenfenster und sah die Autos von Rider und dem anderen Observierungsteam auf dem Parkplatz des Golfplatzes stehen. Bosch legte den Ellbogen auf den Holm des offenen Fensters und die Hand oben an den Rahmen. So konnte er den Kollegen den erhobenen Daumen zeigen, ohne dass Mackey es mitbekam.
    »Was gibt es denn in Barstow so Wichtiges?«, fragte Mackey.
    »Dort wohne ich nur, mehr nicht. Und ich will heute Abend noch nach Hause.«
    »Was haben Sie denn hier unten gemacht?«
    »Dies und das.«
    »Und in South-Central? Was haben Sie dort letzte Woche gemacht, bei diesen Leuten da unten?«
    Bosch verstand, dass mit diesen Leuten die vorherrschende Minoritätenbevölkerung von South L.A. gemeint war. Er drehte sich zu Mackey herum und sah ihn an, als wolle er ihm sagen, er stelle zu viele Fragen.
    »Dies und das«, antwortete er ruhig.
    »Klar, kein Problem.« In einer beschwichtigenden Geste nahm Mackey kurz die Hände vom Lenkrad.
    »Eines kann ich Ihnen jedenfalls sagen«, fuhr Bosch fort, »jetzt mal abgesehen davon, was ich hier gemacht habe, kann mir diese Scheißstadt echt gestohlen bleiben, Mann.«
    Mackey grinste.
    »Ich weiß, was Sie meinen.«
    Nach Boschs Ansicht standen sie kurz davor, von reinem Smalltalk zu einem persönlicheren Gespräch überzugehen. Er nahm an, Mackey hatte seine Tattoos bemerkt und wartete jetzt auf einen kleinen Hinweis, mit was für einer Sorte Kerl er es da zu tun hatte. Er hielt den Augenblick für gekommen, Mackey mit einem subtilen Fingerzeig auf den Zeitungsartikel aufmerksam zu machen.
    Bosch legte die Zeitung so zwischen sich und Mackey auf den Sitz, dass das Foto von Rebecca Lost zu sehen war. Dann machte er sich daran, sein Hemd anzuziehen. Dabei beugte er sich vor und streckte die Arme aus. Obwohl er Mackey nicht ansah, wusste er, dass der Totenkopf auf seinem linkem Arm sehr deutlich zu sehen wäre, während er das tat. Zuerst steckte er den rechten Arm in das Hemd und zog es dann hinter seinem Rücken herum, um mit dem linken Arm in den Ärmel zu fahren. Er lehnte sich zurück und begann, das Hemd zuzuknöpfen.
    »Hier kommt es mir einfach zu sehr wie Dritte Welt vor«, sagte Bosch.
    »Da kann ich Ihnen nur Recht geben.«
    »Tatsächlich? Sind Sie von hier?«
    »Ja, von Geburt an.«
    »Also, da kann ich nur sagen, Kumpel, nehmen Sie Ihre Familie – wenn Sie eine haben – und die Fahne und hauen Sie hier ab. Tun Sie sich diese Scheiße nicht länger an.«
    Mackey lachte und nickte.
    »Ich habe einen Freund, der sagt genau das Gleiche. Die ganze Zeit.«
    »Na ja, ist ja keine besonders originelle Idee.«
    »Da haben Sie Recht.«
    In diesem Moment unterbrach das Funkgerät die Unterhaltung.
    »Hey, Ro?«
    Mackey griff nach dem Mikrofon.
    »Ja, Ken?«
    »Ich fahre mal eben zum KFC rüber, solange Spider auf dich wartet. Soll ich dir was mitbringen?«
    »Nee, ich schaue später selber rüber. Out.«
    Er hängte das Mikrofon ein. Darauf fuhren sie eine Weile schweigend weiter, während Bosch überlegte, wie er die Unterhaltung unverfänglich wieder in Gang bringen und in die richtige Richtung lenken könnte. Mackey war zum Burbank Boulevard hinuntergefahren und nach rechts abgebogen. Jetzt kamen sie zur Tampa hoch, wo er wieder rechts abbiegen würde, und dann ginge es direkt zur Tankstelle. In weniger als zehn Minuten wären sie da.
    Aber es war Mackey, der die Unterhaltung wieder in Gang brachte.
    »Wo haben Sie gesessen?«, fragte er unvermittelt.
    Um sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen, wartete Bosch einen Moment.
    »Wie meinen Sie das?«, fragte er.
    »Ich habe Ihre Tattoos gesehen, Mann. Und es dürfte doch wohl klar sein, dass die entweder hausgemacht sind oder aus dem Knast. Das sieht doch jeder.«
    Bosch nickte.
    »Obispo. Fünf Jahre.«
    »Echt? Für was?«
    Bosch drehte sich zur Seite und sah Mackey wieder an.
    »Für dies und das.«
    Mackey nickte. Er ließ sich durch die Wortkargheit seines Mitfahrers nicht entmutigen.
    »Das ist ja ’n Ding, Mann. Ich habe einen Freund, der war eine ganze Weile in Obispo. Ende der neunziger Jahre. Fand es dort aber gar nicht so schlimm. Richtig nobler Laden das, meinte er. Jedenfalls nicht so viele Nigger wie anderswo.«
    Bosch blieb lange still. Mackeys rassistische Anspielungen waren eine Art Passwort. Wenn Bosch richtig darauf reagierte, würde er akzeptiert. Alles eine Frage des Kodes.
    »Ja.« Bosch nickte. »Das

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