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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Lieutenant! Der Todeszeitpunkt des Mädchens war zwei Uhr morgens. Wussten Sie das denn nicht?«
    »Natürlich wusste ich das. Aber der Todeszeitpunkt war nicht wirklich ausschlaggebend für das Alibi. Mir lagen auch die Resümees der Ermittler vor. Das Haus wies keine Einbruchsspuren auf. Und der Vater hatte alle Türen und Schlösser im Haus überprüft, als er an diesem Abend um zehn Uhr nach Hause kam. Das hieß, der Mörder musste zu diesem Zeitpunkt bereits im Haus gewesen sein. Er hatte sich irgendwo im Haus versteckt und wartete, bis alle schliefen.«
    Bosch setzte sich auf die Couch und beugte sich, die Ellbogen auf die Knie gestützt, vor. Ihm wurde plötzlich klar, dass McClellan Recht hatte und dass damit die Sache völlig anders aussah. Er hatte denselben Bericht gelesen, den McClellan siebzehn Jahre zuvor gelesen hatte, aber ihm war seine Bedeutung nicht klar geworden. Der Mörder war bereits im Haus gewesen, als Robert Lost von der Arbeit nach Hause kam.
    Das änderte einiges, wusste Bosch. Es änderte nicht nur seine Sicht der ursprünglichen Ermittlungen, sondern auch die seiner eigenen.
    Ohne etwas von Boschs innerem Aufruhr mitzubekommen, fuhr McClellan fort: »Demnach konnte Mackey also nicht ins Haus gekommen sein, denn er war ja bei seinem Nachhilfelehrer. Er kam nicht in Frage. Keiner dieser kleinen Pisser kam dafür in Frage. Entsprechend erstattete ich daraufhin meinem Boss mündlich Meldung, und er gab es an die zwei Detectives weiter, die den Fall bearbeiteten. Und damit hatte es sich – bis diese DNS-Geschichte daherkam.«
    Bosch nickte zu dem, was McClellan sagte, aber er dachte an etwas anderes.
    »Wenn Mackey nichts damit zu tun hatte«, fragte er, »wie erklären Sie sich dann seine DNS an der Tatwaffe?«
    McClellan schien sprachlos zu sein. Er schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Das kann ich nicht erklären. Ich habe nachgewiesen, dass er am Mord selbst nicht beteiligt gewesen sein kann, aber er muss …«
    Er sprach nicht weiter. Er schien ernsthaft bestürzt zu sein, dass er möglicherweise dazu beigetragen hatte, einen Mörder oder zumindest jemanden, der die Waffe für einen Mord beschafft hatte, ungeschoren davonkommen zu lassen. Er machte den Eindruck, als wäre ihm schlagartig klar geworden, dass er von Irving benutzt worden war. Er wirkte zerknirscht.
    »Will Irving den Medien und der IAD in dieser Sache immer noch einen Tipp geben?«, fragte Bosch ruhig.
    McClellan schüttelte langsam den Kopf.
    »Nein. Er sagte, ich solle Ihnen etwas bestellen. Er hat mir aufgetragen, Ihnen zu sagen, eine Abmachung ist nur dann eine Abmachung, wenn sich beide Seiten daran halten. Mehr nicht.«
    »Eine letzte Frage«, sagte Bosch. »Der Beweismittelbehälter für den Lost-Fall ist verschwunden. Wissen Sie darüber irgendetwas?«
    McClellan sah ihn an. Bosch entging nicht, dass er ihn damit tief beleidigt hatte.
    »Ich musste das fragen«, sagte Bosch.
    »Ich weiß nur, dass immer wieder etwas abhanden kommt«, sagte McClellan verbissen. »In siebzehn Jahren hätte diesen Behälter weiß Gott wer verschwinden lassen können. Ich war es jedenfalls nicht.«
    Bosch nickte. Er stand auf.
    »Also dann«, sagte er, »ich muss wieder an die Arbeit.«
    McClellan griff das Stichwort auf und stand ebenfalls auf. Er schien seinen Ärger über die letzte Frage hinunterzuschlucken und akzeptierte möglicherweise Boschs Erklärung, dass sie hatte gestellt werden müssen.
    »Also dann, Detective«, sagte er. »Viel Glück bei dieser Geschichte. Ich hoffe, Sie fassen diesen Kerl. Und das meine ich ernst.«
    Er reichte Bosch die Hand. Bosch kannte McClellans Geschichte nicht. Er kannte die Arbeitsbedingungen in der PDU im Jahr 1988 nicht. Aber es sah so aus, als verließe McClellan das Haus mit einer schwereren Bürde als bei seinem Eintreffen. Deshalb gab er ihm die Hand.
    Als McClellan weg war, setzte sich Bosch und dachte über die Möglichkeit nach, dass sich Rebecca Losts Mörder im Haus versteckt hatte. Schließlich stand er wieder auf und ging zum Esszimmertisch, auf dem die Dokumente aus der Mordakte ausgebreitet waren. Die Fotos von Rebeccas Zimmer lagen in der Mitte. Er sah die Berichte durch, bis er die Auswertung der Fingerabdrücke durch die SID fand.
    Der Bericht umfasste mehrere Seiten und enthielt die Analysen verschiedener Fingerabdrücke, die von Oberflächen im Lost-Haushalt stammten. Am Schluss hieß es zusammenfassend, dass kein im Haus gefundener Abdruck

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