Vergessene Stimmen
stimmte.
»Rein und raus«, sagte er zu sich selbst.
Es war durchaus möglich, dass der Volant am Fußende des Betts nach innen geschoben worden war, als jemand darunter gekrochen war. Das legte den Schluss nahe, dass es zu der Auswärtskrümmung des Volants auf der Seite des Betts gekommen war, als diese Person wieder darunter hervorgekrochen war.
Als alle schliefen.
Bosch stand auf und begann auf und ab zu gehen. Auf dem nach der Entführung und dem Mord aufgenommenen Foto sah das Bett eindeutig so aus, als sei jemand darunter gekrochen und dann wieder hervorgekommen. Rebeccas Mörder könnte direkt unter ihr gewartet haben, als sie einschlief.
»Rein und raus«, sagte Bosch wieder.
Er spann den Gedanken weiter. Im Haus waren keine identifizierbaren Fingerabdrücke gefunden worden. Aber es waren nur nahe liegende Oberflächen untersucht worden. Das hieß nicht unbedingt, dass der Mörder Handschuhe getragen hatte. Es hieß nur, dass er so schlau gewesen war, keine nahe liegenden Oberflächen mit bloßen Händen zu berühren, oder dass er die Fingerabdrücke nötigenfalls abgewischt hatte. Selbst wenn der Mörder beim Eindringen ins Haus Handschuhe getragen hatte, war keineswegs auszuschließen, dass er sie ausgezogen hatte, als er, wahrscheinlich mehrere Stunden, unter dem Bett gewartet hatte.
Einen Versuch war es jedenfalls wert. Bosch ging in die Küche und rief bei der SID an und verlangte nach Raj Patel.
»Raj, was machen Sie gerade?«
»Ich katalogisiere die Beweismittel, die wir gestern Abend am Freeway gefunden haben.«
»Ich bräuchte Ihren besten Mann für Fingerabdrücke. Er soll nach Chatsworth raufkommen.«
»Jetzt?«
»Jetzt sofort, Raj. Später habe ich vielleicht nicht mal mehr einen Job. Wenn, dann müssen wir es gleich tun.«
»Und was müssen wir tun?«
»Ich möchte ein Bett hochheben und drunterschauen. Es ist wichtig, Raj. Wenn wir dort etwas finden, führt es uns auf die Spur des Mörders.«
Darauf trat erst einmal kurzes Schweigen ein, bevor Patel antwortete.
»Der beste Mann für Fingerabdrücke bin ich, Harry. Wo genau soll ich hinkommen?«
»Danke, Raj.«
Er nannte Patel die Adresse und hängte auf. Er trommelte mit den Fingern auf die Theke und überlegte, ob er Kiz Rider anrufen sollte. Sie war so niedergeschlagen und entmutigt gewesen, als sie aus dem Parker Center gekommen waren, dass sie nur noch hatte nach Hause fahren und schlafen wollen. Sollte er sie schon wieder aufwecken? Doch das war nicht die Frage. Die Frage war: Sollte er abwarten, ob unter dem Bett tatsächlich etwas war, bevor er ihr davon erzählte und ihre Hoffnungen schürte?
Er beschloss, mit dem Anruf zu warten, bis er ihr etwas Konkretes berichten konnte. Deshalb griff er nach dem Telefon und weckte stattdessen Muriel Lost. Er sagte ihr, er sei auf dem Weg zu ihr.
36
Wegen des dichten Verkehrs vom Valley in die Stadt kam Bosch zu spät zu der Besprechung im Pacific Dining Car. Alle waren in einem abgesonderten Bereich im hinteren Teil des Restaurants. Die meisten hatten schon etwas zu essen.
Seine Aufregung musste ihm anzusehen gewesen sein. Pratt unterbrach Tim Marcia in seinen Ausführungen, um zu Bosch zu schauen und zu sagen: »Entweder hatten Sie Glück, als Sie freihatten, oder Ihnen ist nur egal, wie tief wir hier in der Scheiße stecken.«
»Ich hatte Glück«, sagte Bosch, als er den einzigen leeren Stuhl herauszog und sich darauf setzte. »Aber anders, als Sie denken. Raj Patel hat gerade einen Handflächenabdruck und zwei Fingerabdrücke von einer Holzlatte unter Rebecca Losts Bett gezogen.«
»Das ist gut«, sagte Pratt trocken. »Und was heißt das?«
»Es heißt, sobald Raj sie in die Datenbank eingegeben hat, könnten wir unseren Mörder haben.«
»Wie das?«, fragte Rider.
Bosch hatte sie nicht angerufen. Er konnte bereits Anflüge von Feindseligkeit bei ihr spüren.
»Ich wollte dich nicht wecken«, sagte er. Und dann, an die anderen gerichtet: »Ich hatte mir die ursprüngliche Fingerabdruckanalyse in der Mordakte angesehen. Bei dieser Gelegenheit wurde mir bewusst, dass sie gleich am Tag nach der Entdeckung der Leiche wegen der Fingerabdrücke angerückt sind. Sie sind aber nicht noch mal zurückgekommen, als immer mehr darauf hindeutete, dass der Entführer schon früher am Tag, als die Garage noch offen war, ins Haus eingedrungen sein und sich irgendwo versteckt haben musste, bis alle schliefen.«
»Und warum das Bett?«, fragte
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