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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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er sich nicht von seinem vorgetäuschten Schlaf aufrichtete, trat Bosch gegen das Stuhlbein, und dann kam sein Kopf hoch.
    »Aufwachen, Billy Blitzkrieg«, sagte Bosch.
    Burkhart hatte struppiges dunkles Haar, das an einem teigig weißen Gesicht herabhing. Er sah aus, als hielte er sich außer nachts nicht viel im Freien auf.
    »Ich will einen Anwalt«, sagte Burkhart.
    »Das wollen wir alle. Aber alles schön der Reihe nach. Ich bin Harry Bosch, und das ist Kizmin Rider. Sie sind William Burkhart und stehen wegen Mordverdachts unter Arrest.«
    Darauf begann Rider, ihm seine Rechte vorzulesen, aber er unterbrach sie.
    »Sind Sie verrückt? Ich war die ganze Zeit zu Hause. Meine Freundin war die ganze Zeit bei mir.«
    Bosch hielt einen Finger an seine Lippen.
    »Lassen Sie sie erst ausreden, Billy, und dann können Sie uns so viel vorlügen, wie Sie wollen.«
    Rider las ihm von der Rückseite einer ihrer Visitenkarten seine Rechte vor. Dann übernahm Bosch.
    »Also, was haben Sie gesagt?«
    »Ich sage, Sie haben sie nicht alle. Ich war die ganze Zeit zu Hause, und ich habe einen Zeugen, der das beweisen kann. Außerdem war Ro mein Freund. Wieso sollte ich ihn umbringen? Das ist doch ein Witz. Machen Sie also voran und lassen Sie meinen Anwalt kommen, damit er sich über den Schwachsinn kaputtlachen kann, den Sie hier verzapfen.«
    »Sind Sie langsam fertig, Bill? Ich habe nämlich Neuigkeiten für Sie. Es geht hier nicht um Roland Mackey. Wir gehen jetzt siebzehn Jahre zurück zu Rebecca Lost. Erinnern Sie sich noch an sie? Sie und Mackey? Das Mädchen, das Sie den Hügel raufgebracht haben? Sie ist es, um die es hier geht.«
    Burkhart war nichts anzumerken. Bosch hatte auf ein verräterisches Zeichen gehofft, einen Hinweis, dass er auf der richtigen Spur war.
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte Burkhart mit steinerner Miene.
    »Wir haben Sie auf Band. Mackey hat Sie letzte Nacht angerufen. Es ist aus, Burkhart. Siebzehn Jahre sind eine lange Zeit, aber jetzt ist es aus.«
    »Einen Dreck haben Sie. Wenn es so ein Band wirklich gibt, ist da höchstens drauf, wie ich ihm sage, er soll die Klappe halten. Ich habe kein Handy, ich traue diesen Dingern nicht. So blöd ist doch inzwischen keiner mehr. Ist doch ganz klar, dass ich das auf keinen Fall über so ein bescheuertes Handy mache, wenn er daherkommt und mir irgendwelche Probleme von sich erzählen will. Und was diese Rebecca Soundso angeht, darüber weiß ich nichts. Das hätten Sie lieber Ro fragen sollen, solange Sie noch Gelegenheit dazu hatten.«
    Er sah Bosch an und zwinkerte, und Bosch wäre ihm am liebsten ins Gesicht gesprungen. Aber er tat es nicht.
    Sie lieferten sich noch weitere zwanzig Minuten erbitterte Wortgefechte, aber weder Bosch noch Rider gelang es, Burkhart beizukommen. Schließlich beendete Burkhart das Hin und Her, indem er noch einmal einen Anwalt verlangte und in keiner Form mehr auf irgendeine der Fragen reagierte, die sie ihm danach stellten.
    Rider und Bosch verließen das Zimmer, um über ihre, wie sie wussten, sehr begrenzten Möglichkeiten zu sprechen. Sie hatten es mit einem Bluff versucht, aber Burkhart hatte ihn durchschaut. Jetzt mussten sie ihn entweder verhaften und ihm einen Anwalt besorgen oder ihn laufen lassen.
    »Wir haben rein gar nichts, Harry«, sagte Rider. »Da sollten wir uns nichts vormachen. Ich würde sagen, wir lassen ihn laufen.«
    Bosch nickte. Sie hatte Recht. Sie hatten keine rechtliche Handhabe gegen ihn und bekämen möglicherweise auch nie eine. Mackey, ihre einzige direkte Verbindung zu Rebecca Lost, war tot. Und das war er durch Boschs Verschulden. Jetzt mussten sie zeitlich noch weiter zurückgehen und sich voll auf Burkhart konzentrieren und nach etwas suchen, was siebzehn Jahre zuvor übersehen oder vertuscht oder ignoriert worden war. Die ganze Last des augenblicklichen Verfahrensstands senkte sich wie eine Bleidecke auf Bosch herab.
    Er klappte sein Handy auf und rief noch einmal Marcia an.
    »Irgendwas Neues?«
    »Nein, Harry, nichts. Kein Handy, keine Beweise, nichts.«
    »Okay. Nur damit ihr Bescheid wisst, wir lassen ihn laufen. Er könnte in Kürze auftauchen.«
    »Prima. Wird ihm nicht gefallen, was er hier vorfindet.«
    »Gut.«
    Bosch beendete das Gespräch und sah Rider an. Ihr Blick sagte alles. Es war eine einzige Katastrophe. Er hatte sie enttäuscht. Zum ersten Mal dachte er, dass Irving vielleicht doch Recht hatte – vielleicht hätte er nicht in den Polizeidienst zurückkehren

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