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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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weg in ein Auto zu packen und in die Wüste hinauszufahren, wo sie sie dann verprügelten oder einfach sich selbst überließen oder beides – in der Regel beides. Um auf ihre eigene Terminologie zurückzugreifen, säten sie Zwietracht, um dadurch, wie sie glaubten, eine Trennung der Rassen herbeizuführen.«
    »Ja, das Lied kenne ich.«
    »Okay, na ja, sie standen kurz davor, das alles Burkhart anzuhängen, und wenn sie damit zum Justizministerium gegangen wären, hätten ihm vermutlich mindestens zehn Jahre in einem Bundesgefängnis geblüht.«
    »Alles klar. Er ließ sich auf einen Handel ein.«
    Rider nickte.
    »Er bekam ein Jahr in Wayside und fünf Jahre auf Bewährung, und damit war der Fall erledigt. Und die Eights verschwanden ebenfalls von der Bildfläche. Sie wurden zerschlagen, und das war das Ende dieser Bedrohung. Bis Ende März hatte sich das Ganze erledigt, also schon lange vor Lost.«
    Während Bosch über das alles nachdachte, beobachtete er eine Frau, die ein kleines Mädchen an der Hand hatte. Sie hatte es offensichtlich eilig und zog das Mädchen auf die Metroline-Bahnsteige zu. Außerdem schleppte sie einen schweren Koffer, und ihre ganze Aufmerksamkeit war auf die Sperre vor ihr gerichtet. Das Kind ließ sich mit nach oben gewandtem Gesicht von ihr mitziehen und schaute an die Decke. Irgendetwas brachte es zum Lächeln. Als Bosch nach oben blickte, sah er einen Luftballon, der sich in einem der Kuppelquadrate der Decke verfangen hatte. Eines Kindes Unglück war eines anderen heimliche Freude. Der orange-weiße Ballon hatte die Form eines Fisches, und wegen seiner kleinen Tochter wusste Bosch, dass es Nemo war, eine Figur aus einem Zeichentrickfilm. Plötzlich musste er an seine Tochter denken, aber um sich konzentrieren zu können, schlug er sich diesen Gedanken rasch wieder aus dem Kopf. Er sah Rider an.
    »Und was hatte Mackey mit alldem zu tun?«, fragte er.
    »Er war sozusagen das fünfte Rad am Wagen«, antwortete Rider. »Ein Handlanger. Er galt als idealer Rekrut. Schulabbrecher, ohne Zukunft oder Berufsaussichten. Stand wegen eines Einbruchs unter Bewährung und hatte schon jede Menge Jugendstrafen wegen Autodiebstahl, Einbruch, Drogendelikten. Also genau der Typ, den sie brauchten. Ein Loser, den sie zu einem weißen Krieger formen konnten. Aber sie hatte ihn kaum angeworben, da merkten sie, dass er blöder war als – ich zitiere Burkhart – ein unterbelichteter Nigger. Anscheinend war er so dumm, dass sie ihn nicht mal für die Wandschmierereien einsetzen konnten, weil er selbst ihre simplen rassistischen Parolen nicht richtig schreiben konnte. Entsprechend bekam er in der Gruppe schon bald den Spitznamen Wej verpasst. Das ist jew , Jude, rückwärts geschrieben. So hat er es nämlich mal an eine Synagogenwand gesprüht.«
    »Ein Legastheniker?«
    »Vermutlich.«
    Bosch schüttelte den Kopf.
    »Trotzdem kann ich mir diesen Kerl im Fall Lost einfach nicht als Täter vorstellen.«
    »Ich auch nicht. Ich glaube zwar, dass er eine Rolle gespielt hat, aber nicht die Hauptrolle. Dazu hat er einfach nicht genug in der Birne.«
    Bosch beschloss, Mackey vorerst fallen zu lassen und zum Beginn von Riders Bericht zurückzukehren.
    »Wie kommt es eigentlich, dass nur Burkhart einsitzen musste, obwohl sie doch eine ganze Menge über diesen Verein vorliegen hatten?«
    »Dazu komme ich gleich.«
    »Kommt hier High Jingo ins Spiel?«
    »Ganz genau. Burkhart war zwar ein Anführer der Eights, aber nicht der Anführer.«
    »Oh.«
    »Als Anführer wurde ein gewisser Richard Ross ausgemacht. Er war älter als die anderen. Der eigentliche Kopf der Gruppe. Er war einundzwanzig und sehr redegewandt, die treibende Kraft hinter dem Ganzen. Er war es auch, der Burkhart und die meisten anderen rekrutierte.«
    Bosch nickte. Richard Ross war ein geläufiger Name, aber er glaubte zu wissen, wohin das führen würde.
    »Dieser Richard Ross, war das etwa Richard Ross junior?«
    »Richtig. Der Sprössling unseres guten Captain Ross.«
    Als Bosch bei der Polizei angefangen hatte, war Captain Richard Ross der langjährige Leiter der Dienstaufsichtsbehörde gewesen. Inzwischen war er im Ruhestand.
    Plötzlich fügten sich die fehlenden Teile zu einem Ganzen zusammen.
    »Und deshalb hielten sie Ross junior schön aus allem raus und ersparten damit Ross senior und dem LAPD eine Menge Ärger«, sagte Bosch. »Sie schoben alles Burkhart, Ross’ Stellvertreter, in die Schuhe. Er saß in Wayside ein, und die Gruppe wurde

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