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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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zerschlagen. Das Ganze wurde als jugendlicher Fehltritt abgehakt.«
    »So ist es.«
    »Und jetzt lass mich raten: Die ganzen Informationen kamen von Richard Ross junior.«
    »Richtig geraten. Das war Teil der Abmachung. Ross junior hat alle hingehängt, und mehr brauchte die PDU nicht, um die Gruppe in aller Stille aufzulösen. Und Junior kam ungeschoren davon.«
    »Und Irving spielte dabei mit.«
    »Weißt du, was das Komische daran ist? Irving ist, glaube ich, ein jüdischer Name.«
    Bosch schüttelte den Kopf. »Finde ich eigentlich nicht komisch – egal, ob es zutrifft oder nicht.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Nicht, wenn Irving dabei einen Vorteil für sich herausspringen sah.«
    »Wenn ich mal zwischen den Zeilen des Berichts lese, würde ich sagen, dass er seinen Vorteil genau sah.«
    »Infolge dieses Deals hatte er die Dienstaufsicht total in der Hand. Mit anderen Worten, er konnte ganz nach Gutdünken darüber bestimmen, gegen wen die Dienstaufsicht ermittelte und wie diese Ermittlungen geführt wurden. Ross war abhängig von ihm. Das erklärt einiges von dem, was damals polizeiintern ablief.«
    »Das war größtenteils noch vor meiner Zeit.«
    »Sie erledigen also das mit den Eights, und für Irving springt dabei heraus, dass Richard Ross senior mitsamt seiner Pudeltruppe nach seiner Pfeife tanzt«, dachte Bosch laut nach. »Doch dann wird Rebecca Lost mit einer Pistole erschossen, die einem Mann gestohlen wurde, den die Eights bedroht hatten, und gestohlen hat diese Pistole einer dieser kleinen Kläffer, die sie gerade hatten laufen lassen. Mit ihrem wunderschönen Arrangement wäre also Schluss gewesen, wenn der Mord mit den Eights in Verbindung gebracht worden wäre und damit auch mit ihnen.«
    »Ganz genau. Deshalb schalten sie sich in die Ermittlungen ein und lenken sie in eine für sie ungefährliche Richtung, sodass nie jemand für die Tat zur Rechenschaft gezogen wird.«
    »Diese Schweine«, flüsterte Bosch.
    »Armer Harry. Du musst von deinem Ruhestandsintermezzo einigen Rost angesetzt haben. Du dachtest, sie hätten sich vielleicht eingeschaltet, um zu verhindern, dass in der Stadt das Chaos ausbricht. So heroisch waren ihre Motive aber nicht.«
    »Nein, sie haben nur versucht, sich abzusichern und die komfortable Position nicht zu gefährden, in die sie – beziehungsweise Irving – der Kuhhandel mit Ross gebracht hatte.«
    »Das sind alles nur Vermutungen«, warnte Rider.
    »Klar. Nur das, was zwischen den Zeilen steht.«
    Bosch verspürte so starkes Verlangen nach einer Zigarette, wie er es schon mindestens ein Jahr lang nicht mehr gehabt hatte. Er schaute zum Zeitungsstand hinüber und sah die vielen Päckchen in den Regalen hinter dem Ladentisch. Er schaute weg. Er sah zu dem an der Decke festsitzenden Luftballon hoch. Er glaubte zu wissen, wie sich Nemo dort oben fühlte.
    »Wann ist Ross in Pension gegangen?«, fragte er.
    »1991. Er riss seine fünfundzwanzig Jahre runter – das gestanden sie ihm zu –, und dann ging er in Pension. Ich habe das nachgeprüft – er zog nach Idaho. Auch über Ross junior habe ich meine Nachforschungen angestellt; er ist schon vor seinem Vater da hochgezogen. Wahrscheinlich in eine dieser völlig von der Außenwelt abgeschirmten weißen Enklaven, wo er sich ganz zu Hause gefühlt hat.«
    »Und wo er sich wahrscheinlich einen Ast gelacht hat, als hier 92 nach der Rodney-King-Geschichte der Teufel los war.«
    »Wahrscheinlich, aber nicht sehr lange. Er kam 93 auf dem Rückweg von einer Protestkampagne irgendwo in der Provinz bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Wahrscheinlich gibt es doch noch so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit.«
    Für Bosch war das wie ein Schlag in die Magengrube. Er hatte an Richard Ross junior als Kandidaten für den Lost-Mord richtig Geschmack zu finden begonnen. Er könnte sich von Mackey die Tatwaffe besorgen und sich vielleicht auch von ihm helfen haben lassen, das Opfer den Hügel hinaufzutragen. Doch jetzt war er tot. Sollten sie ihre Ermittlungen in eine solche Sackgasse führen? Würden sie am Ende zu Rebecca Losts Eltern gehen müssen und ihnen sagen, ihre seit langem tote Tochter sei ihnen von jemandem genommen worden, der ebenfalls schon lange tot war? Was wäre das für eine Gerechtigkeit?
    »Ich weiß, was du jetzt denkst«, sagte Rider. »Er hätte unser Mann sein können. Aber das glaube ich nicht. Laut DMV-Datenbank hat er seinen Führerschein im Mai 1988 in Idaho ausgestellt bekommen. Als Lost umgebracht wurde, war er

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