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Vergessene Welt

Vergessene Welt

Titel: Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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hin.«
    Eddie stellte
den Käfig aufrecht neben das Gerüst. Levine kletterte nach unten.
    »Und wozu ist
der gut?« fragte Arby und sah hinunter. »Um einen Dinosaurier einzusperren?«
    »Eigentlich genau
für das Gegenteil.« Levine befestigte den Käfig an den Stützstreben. Er öffnete
und schloß die Tür. In der Tür war ein Schloß. Er kontrollierte das Schloß und
ließ den Schlüssel, an dem eine elastische Schlaufe baumelte, stecken. »Es ist
ein Raubtierschutzkäfig, ähnlich wie ein Haikäfig«, sagte er. »Wenn man hier
unten herumspaziert und irgendwas passiert, kann man da hineinspringen und ist
sicher.«
    »Wenn was passiert?« fragte Arby mit besorgtem Blick.
    »Eigentlich
glaube ich nicht, daß irgendwas passiert«, sagte Levine und kletterte wieder
hoch. »Weil ich nämlich bezweifle, daß die Tiere uns überhaupt Beachtung
schenken werden. Und auch unserem Häuschen hier nicht, wenn es erst einmal getarnt
ist.«
    »Sie meinen, sie
werden es überhaupt nicht sehen?«
    »Oh, sehen
werden sie es schon«, sagte Levine. »Aber sie werden es ignorieren.«
    »Aber wenn sie
uns riechen …«
    Levine
schüttelte den Kopf. »Wir haben den Hochstand so aufgestellt, daß der vorherrschende
Wind für uns günstig steht. Und ihr habt vielleicht schon bemerkt, daß diese Farne
einen charakteristischen Geruch haben.« Es war ein leicht stechender Geruch,
fast wie Eukalyptus.
    Arby ließ nicht
locker. »Aber angenommen, sie fressen die Farne?«
    »Das werden sie
nicht«, sagte Levine. »Das sind Dicranopterus cyatheoides . Die sind
schwach giftig und verursachen bei Tieren einen Ausschlag im Maul. Und es gibt
sogar die Theorie, daß diese Pflanze ihre Giftigkeit im Jura entwickelt hat,
als Verteidigung gegen hungrige Dinosaurier.«
    »Das ist keine
Theorie«, sagte Malcolm. »Das ist eine reine Spekulation.«
    »Aber mit einer
gewissen Logik dahinter«, sagte Levine. »Für die Pflanzenwelt des Mesozoikums
muß das Auftauchen sehr großer Dinosaurier eine ernste Bedrohung gewesen sein.
Herden riesiger Pflanzenfresser, von denen jedes Tier täglich Hunderte von
Pfund verzehrte, hätten jede Pflanze ausgerottet, die nicht eine gewisse Form
der Verteidigung entwickelte – einen schlechten Geschmack, Nesseln oder Dornen
oder ein chemisches Gift. Vielleicht hat Cyatheoides ihre Giftigkeit also
wirklich in dieser Zeit entwickelt. Und sie ist sehr wirkungsvoll, denn
zeitgenössische Tiere fressen diese Pflanze nirgendwo auf der Erde. Deshalb
gibt es so viel davon. Wie ihr vielleicht schon bemerkt habt.«
    »Pflanzen können
sich verteidigen?« fragte Kelly.
    »Natürlich
können sie das. Pflanzen entwickeln sich wie jede andere Lebensform, und sie
haben ihre eigene Art der Aggression, der Verteidigung und so weiter herausgebildet.
Im 19. Jahrhundert befaßten sich die meisten Theorien nur mit Tieren – ›Natur
rot in Zahn und Klaue‹ und diese Geschichten. Aber jetzt denken Wissenschaftler
an ›Natur grün in Wurzel und Stengel‹. Wir erkennen, daß Pflanzen in ihrem
unermüdlichen Überlebenskampf Strategien entwickelt haben, die von komplexer
Symbiose mit Tieren über Signalmechanismen zur Warnung anderer Pflanzen bis hin
zu offener chemischer Kriegführung reichen.«
    Kelly runzelte
die Stirn. »Signalmechanismen? Was zum Beispiel?«
    »Oh, da gibt es
viele Beispiele«, sagte Levine. »In Afrika haben Akazienbäume sehr lange,
scharfe Dornen entwickelt – bis zu acht Zentimetern –, aber das hat Tiere wie Giraffen
oder Antilopen nur dazu gebracht, lange Zungen zu entwickeln, um an den Dornen
vorbeizukommen. Die Dornen alleine haben also nicht funktioniert. Deshalb haben
die Akazien im evolutionären Wettrüsten als nächstes Giftigkeit entwickelt. Sie
begannen, in ihren Blättern große Mengen Tannin zu entwickeln, und das löst in
Tieren, die sie fressen, eine tödliche Stoffwechselreaktion aus, die sie wirklich
umbringen kann. Gleichzeitig haben die Akazien eine Art chemisches Warnsystem
untereinander entwickelt. Wenn eine Antilope einen Baum in einer Gruppe anknabbert,
setzt dieser Baum Äthylen frei, was die anderen Bäume dazu bringt, die Produktion
des Blatt-Tannins zu erhöhen. Innerhalb von fünf oder zehn Minuten produzieren
die anderen Bäume so viel Tannin, daß die Giftigkeit erreicht wird.«
    »Und was
passiert dann mit der Antilope? Stirbt sie?«
    »Nun, jetzt
nicht mehr«, sagte Levine, »weil das evolutionäre Wettrüsten weitergegangen ist.
Irgendwann merkten die Antilopen, daß sie an Akazien

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