Vergessene Welt
funkelte hell und glänzend im Sonnenlicht.
»Ist es das?«
fragte Arby.
»Das ist es,
ja.« Thorne ging um das Gerüst herum und steckte die Sicherungsstifte ein.
»Aber es glänzt
viel zu sehr«, sagte Levine. »Wir hätten es mattschwarz lackieren sollen.«
»Eddie, wir
müssen es tarnen«, sagte Thorne.
»Wollen Sie es
umspritzen, Doc? Ich habe schwarzen Lack dabei.«
Levine
schüttelte den Kopf. »Nein, dann riecht es. Wie wär’s mit diesen Palmen?«
»Klar, das
können wir tun.« Eddie ging zu einer nahen Palmengruppe und hackte mit seiner Machete
große Wedel ab.
Kelly starrte
die Aluminiumstruktur an. »Klasse«, sagte sie. »Aber was ist das?«
»Ein Hochstand«,
sagte Levine. »Komm mit.« Und er begann, das Gerüst hinaufzuklettern.
Die Kabine am oberen Ende des Gerüsts
war ein kleines Häuschen mit einem Dach, das von Aluminiumstangen im Abstand
von etwa 1,20 Meter getragen wurde. Der Boden bestand ebenfalls aus Aluminiumstangen,
doch die waren näher beieinander, mit nur etwa 15 Zentimetern Zwischenraum.
Trotzdem drohten die Füße durchzurutschen, und Levine nahm deshalb das erste
der Wedelbündel, die Eddie mit einem Seil hochhievte, und legte damit den Boden
aus. Die restlichen Wedel band er an die Außenseite des Häuschens, um es zu
tarnen.
Arby und Kelly
genossen die Aussicht auf die vielen Tiere. Von ihrem erhöhten Standpunkt aus
konnten sie das gesamte Tal überblicken. In der Ferne, auf der anderen Seite
des Flusses, sahen sie eine Herde Apatosaurier. Im Norden graste ein Trupp
Triceratopsiden. Einige Entenschnäbel mit langen Kämmen auf den Köpfen näherten
sich dem Wasser, um zu saufen. Der tiefe, trompetenartige Schrei eines
Entenschnäblers wehte über das Tal zu ihnen herüber, ein Ton wie nicht von
dieser Welt. Augenblicke später kam aus dem Wald auf der anderen Seite des Tals
der Antwortschrei.
»Was war das?«
fragte Kelly.
»Parasaurolophus«,
sagte Levine. »Der trompetet durch seinen Nackenkamm. Niederfrequente Töne
haben eine große Reichweite.«
Im Süden
entdeckten sie eine Herde dunkelgrüner Tiere mit breiten, vorgewölbten Stirnen
und einem Kranz kleiner, knubbeliger Hörner. Sie erinnerten ein wenig an
Büffel. »Und wie nennt man die?« fragte Kelly.
»Gute Frage«, entgegnete
Levine. »Die gehören aller Wahrscheinlichkeit nach zu den Pachycephalosaurus
wyomingensis . Aber das ist schwer zu sagen, weil bis jetzt noch kein
vollständiges Skelett eines solchen Tieres gefunden wurde. Die Stirn besteht
aus sehr dickem Knochen, man hat deshalb schon viele gewölbte Stirnfragmente gefunden.
Aber das ist das erste Mal, daß ich ein ganzes Tier sehe.«
»Und diese
Köpfe, wozu sind die gut?« fragte Arby.
»Das weiß kein
Mensch«, sagte Levine. »Man nimmt an, daß sie zum Stoßen benutzt werden, bei
Rangstreitigkeiten unter den Männchen. Beim Kampf um die Weibchen und so.«
Malcolm kam
ebenfalls auf den Hochstand geklettert. »Ja, zum Stoßen«, sagte er mißmutig.
»So wie eben gerade.«
»Ist ja gut«,
sagte Levine. »Im Augenblick stoßen sie eben nicht. Vielleicht ist ihre Paarungszeit
schon vorbei.«
»Oder vielleicht
tun sie es überhaupt nicht«, sagte Malcolm. »Für mich sehen die ziemlich friedfertig
aus.«
»Ja«, entgegnete
Levine, »aber das hat natürlich nichts zu bedeuten. Afrikanische Büffel wirken
ebenfalls die meiste Zeit ziemlich friedlich – sie stehen für gewöhnlich nur bewegungslos
herum. Und doch sind es unberechenbare und gefährliche Tiere. Wir müssen davon
ausgehen, daß diese Schädelwölbungen eine spezielle Funktion haben – auch wenn
wir die im Augenblick nicht erkennen.«
Levine wandte
sich den Kindern zu. »Das ist der Grund, warum wir dieses Gerüst konstruiert haben.
Wir werden die Tiere rund um die Uhr beobachten«, sagte er. »Wir wollen uns ein
möglichst vollständiges Bild von ihrem Verhalten machen.«
»Warum?« fragte
Arby.
»Weil«,
antwortete Malcolm, »diese Insel uns die einzigartige Gelegenheit bietet, das
größte Rätsel in der Geschichte unseres Planeten zu untersuchen: das Aussterben.«
»Wißt ihr«, sagte Malcolm, »als InGen
die Fabrik schloß, passierte das sehr überstürzt, und einige Tiere wurden zurückgelassen.
Das war vor fünf oder sechs Jahren. Dinosaurier entwickeln sich sehr schnell,
bei den meisten Arten ist das Erwachsenenalter schon nach vier oder fünf Jahren
erreicht. Inzwischen hat die erste Generation der InGen-Dinosaurier – die in
einem Labor gezüchtet wurden
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