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Vergessene Welt

Vergessene Welt

Titel: Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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übernahm es; er entwickelte einen
Extrakt aus dem Speichel des gelben Sumatra-Egels, der bessere Resultate zu
versprechen schien.
    King zog in ein
kleineres Labor um, und da er nun genug hatte von Blutfaktoren, wandte er sich
Schmerzmitteln zu. Er beschäftigte sich mit einer interessanten Verbindung, dem
L-Isomer eines Proteins des Hornfroschs, das narkotische Wirkung zu haben
schien. Aber King hatte sein früheres Selbstvertrauen verloren, und als die
Firma seine Arbeit begutachtete, kam man zu dem Schluß, daß sie zu ungenügend
dokumentiert war, um einen Antrag auf Testfreigabe durch die Gesundheitsbehörde
zu rechtfertigen. Sein Hornfrosch-Projekt wurde kurzerhand eingestellt.
    Zu der Zeit war
King 35 und hatte schon zweimal versagt. Sein Bild erschien nicht länger im Jahresbericht.
Es ging das Gerücht, daß die Firma ihn bei der nächsten Leistungsprüfung gerne
loswerden würde. Als er ein neues Forschungsprojekt vorschlug, wurde es
abgewiesen. Es war eine dunkle Zeit in seinem Leben.
    Doch dann schlug
Lewis Dodgson vor, gemeinsam zu Mittag zu essen.
     
    Dodgson hatte unter Forschern einen
schlechten Ruf; er war allgemein als »Der Totengräber« bekannt, weil er die
Arbeit von anderen übernahm und sie als die eigene herausputzte. In früheren
Jahren hätte King sich nie zusammen mit ihm sehen lassen. Aber nun gestattete
er Dodgson, ihn in ein teures Fischrestaurant in San Francisco einzuladen.
    »Forschung ist
schwer«, sagte Dodgson mitfühlend.
    »Das können Sie
laut sagen«, erwiderte King.
    »Schwer und
riskant«, sagte Dodgson. »Tatsache ist, daß innovative Forschung sich selten
sofort bezahlt macht. Aber begreift das die Geschäftsleitung? Nein. Wenn die Forschung
nicht das gewünschte Ergebnis bringt, zieht man Sie zur Verantwortung. Das ist
ungerecht.«
    »Das brauchen
Sie mir nicht zu sagen.«
    »Aber so läuft
es eben.« Dodgson zuckte die Achseln und spießte eine Krabbe auf.
    King schwieg.
    »Ich persönlich
mag kein Risiko«, fuhr Dodgson fort. »Und originelle Arbeit ist immer riskant.
Die meisten neuen Ideen sind schlecht, und der Großteil origineller Arbeit geht
in die Hose. Das ist nun mal die Realität. Wenn Sie sich zu innovativer
Forschung hingezogen fühlen, müssen Sie mit Fehlschlägen rechnen. Das ist okay,
wenn Sie an einer Universität arbeiten, wo Fehlschläge gelobt werden und Erfolg
zu Ächtung führt. Aber in der Industrie … nein, nein. Originelle Arbeit in der
Industrie eröffnet keine Karriere. Die bringt Sie nur in Schwierigkeiten. Und
in denen stecken Sie ja im Augenblick, mein Freund.«
    »Was soll ich
denn tun?« fragte King.
    »Nun«, erwiderte
Dodgson, »ich habe da meine eigene Version der wissenschaftlichen Methodik. Ich
nenne es konzentrierte Forschungsentwicklung. Wenn sowieso nur ein paar Ideen
gut sind, warum sie dann selber finden? Das ist zu schwierig. Sollen andere
Leute sie finden – sollen sie das Risiko auf sich nehmen –, und dann dürfen sie
auch ruhig den sogenannten Ruhm abbekommen. Ich warte lieber und entwickle die
Ideen, die bereits erfolgversprechend sind. Nimm, was gut ist, und versuche es
besser zu machen. Oder verändere es wenigstens soweit, daß man es patentieren
lassen kann. Und dann besitze ich es. Es gehört mir.«
    King war
verblüfft über die unverblümte Art, mit der Dodgson zugab, daß er ein Dieb war.
Es schien ihm nicht im geringsten peinlich zu sein. King stocherte eine Weile
in seinem Salat. »Warum erzählen Sie mir das?«
    »Weil ich in
Ihnen etwas sehe«, sagte Dodgson. »Ich sehe Ehrgeiz. Frustrierten Ehrgeiz. Und
ich sage Ihnen, Howard, Sie müssen nicht frustriert sein. Und es muß auch nicht
sein, daß Sie bei der nächsten Leistungsprüfung in der Firma gefeuert werden.
Doch genau das wird passieren, wenn Sie so weitermachen. Wie alt ist Ihr Kind?«
    »Vier«, sagte
King.
    »Es ist
schrecklich, ohne Arbeit und mit einer jungen Familie. Und es wird nicht
einfach für Sie, einen neuen Job zu finden. Wer wird Ihnen jetzt noch eine
Chance geben? Mit 35 hat ein Wissenschaftler sich entweder bereits einen Namen
gemacht, oder er schafft es gar nicht mehr. Ich sage nicht, daß das richtig
ist, aber so denken die Leute.«
    King wußte, daß
so gedacht wurde. In jeder Biotech-Firma in Kalifornien.
    »Aber Howard«,
sagte Dodgson, beugte sich über den Tisch und senkte die Stimme, »eine
wunderbare Welt wartet auf Sie, wenn Sie die Dinge nur aus einem etwas anderen
Blickwinkel betrachten. Ihnen steht ein ganz anderes Leben

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