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Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)

Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)

Titel: Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk M. Broder
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fließend Deutsch, und so plauderte man ganz unbeschwert und ohne einen Übersetzer zweieinhalb Stunden über alles Mögliche: den Untergang der »Wilhelm Gustloff« im Januar 1945, Grass’ ersten Besuch in Jerusalem im Jahre 1967, sein kurzes Gastspiel als 17-Jähriger bei der Waffen-SS und natürlich über die Reaktionen auf seinen Roman »Beim Häuten der Zwiebel«. Die Debatte um diesen Roman sei für ihn »sehr schmerzlich« gewesen, man habe ihm unterstellt, er habe sich freiwillig zur Waffen-SS gemeldet. »Die Wahrheit ist, dass ich eingezogen wurde, wie Tausende von Jugendlichen in meinem Alter.«
    Auf Segevs Frage, warum er die Geschichte so lange für sich behalten habe, antwortete Grass: »Weil ich mich geschämt habe. Ich war ein dummer junger Nazi … Ich schäme mich noch immer.«
    Als Segev wissen wollte, warum der Holocaust in der »Zwiebel« nur am Rande vorkommt, antwortete Grass: »Der Wahnsinn und die Verbrechen äußerten sich nicht nur im Holocaust und hörten nicht mit dem Kriegsende auf. Von acht Millionen deutschen Soldaten, die von den Russen gefangen genommen wurden, haben vielleicht zwei Millionen überlebt. Der Rest wurde liquidiert … Ich sage das nicht, um das Gewicht der Verbrechen gegen die Juden zu mindern, aber der Holocaust war nicht das einzige Verbrechen. Wir tragen die Verantwortung für die Verbrechen der Nazis, aber ihre Verbrechen erlegten den Deutschen schlimme Katastrophen auf, und so wurden sie zu Opfern.«
    Man musste kein diplomierter Mathematiker sein, um Grass’ Zahlenspiele zu Ende zu rechnen: Sechs Millionen deutsche Soldaten wurden von den Russen liquidiert.
    Dass tatsächlich etwa drei Millionen deutsche Soldaten in sowjetische Kriegsgefangenschaft gerieten, von denen etwa 1,1 Millionen nicht überlebten, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Denn Grass geht es nicht um Zahlen, sondern um eine Zahl. Sechs Millionen. Das ist die Zahl, um die es immer geht. The Lucky German Number. Grass ist der Prototyp eines Deutschen, A German In A Nutshell. Beileibe kein Nazi, das hat ihm Tom Segev auch rührend bestätigt, aber vom Dritten Reich nachhaltig kontaminiert. Von Schuld- und Schamgefühlen verfolgt und zugleich von dem Wunsch getrieben, Geschichte zu verrechnen. Sechs Millionen tote Juden auf der einen, sechs Millionen tote deutsche Gefangene auf der anderen Seite, das gibt unterm Strich eine saubere Null. »Es« denkt auch in Günter Grass.
    Dabei läuft er durchaus nicht mit Scheuklappen durch die Gegend, er redet auch gerne über den Nord-Süd-Konflikt und die vielen Fehler, die bei der deutschen Vereinigung gemacht wurden, weil man es versäumt hat, ihn um Rat zu fragen. Er hat die DDR eine »relativ kommode Diktatur« genannt und die deutsche Teilung eine »Strafe für Auschwitz«, was seinem Ruf als moralische und politische Autorität nicht geschadet hat. Er war es auch, der gleich nach den Anschlägen von 9/11 die Frage gestellt hat, was wir »ihnen« angetan haben, dass sie »uns« so hassen müssen, und das war nicht ironisch, sondern ganz ernst gemeint. »Wir« waren es, die »sie« zu Terroristen gemacht haben. Selber schuld, wenn sie Bomben auf uns schmeißen.
    Aber richtig leidenschaftlich wird Grass vor allem, wenn es um Israel geht. In einem Interview mit »Spiegel Online« im Oktober 2001 sagte er, wie er sich die Lösung der Palästina-Frage vorstellt: »Israel muss nicht nur besetzte Gebiete räumen. Auch die Besitznahme palästinensischen Bodens und seine israelische Besiedlung ist eine kriminelle Handlung. Das muss nicht nur aufhören, sondern rückgängig gemacht werden. Sonst kehrt dort kein Frieden ein.«
    Als Schriftsteller, dessen Handwerk die Sprache ist, sollte Grass in der Lage sein, sich klar auszudrücken. Wenn Israel die »besetzten Gebiete« räumen und »die Besitznahme palästinensischen Bodens und seine israelische Besiedlung« aufgeben soll, dann kann das nur heißen, dass auch Haifa, Tel Aviv und Aschkelon geräumt werden müssen, liegen sie doch alle auf palästinensischem Boden. Kaum anzunehmen, dass er sich die Position der Hamas zu eigen machen wollte, aber wie soll man den Satz sonst verstehen, wenn nicht als Wunsch nach der Wiederherstellung des Status quo ante, also der Verhältnisse vor der Gründung Israels? »Sonst kehrt dort kein Frieden ein.«
    So, wie es in Grass denkt, so denkt es in vielen Deutschen, die sich sonst bei jeder Gelegenheit als stramme Antifaschisten und Friedensfreunde gerieren und keinen

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