Vergib uns unsere Sünden - Thriller
Managua wurden zu The Gardens, das Barrio el Cortijo zum Farmhouse. Barrio Loma Verde kannten wir nur als Green Hillock, den grünen Hügel, und die Straßennamen - Pista les Brisas, Pista Heroes y Martires, Paseo Salvador Allende wurden zu Breeze, Martyrs und Salvador verkürzt. So merkte man es sich leichter und verwirrte alle, die kein Englisch konnten.
Neben Catherine, die mein Controller war, hatte ich noch einen Sektionsleiter. Er hieß Lewis Cotton, war Mitte dreißig, die Familie seit zwei, drei Generationen im OSS, dem Vorgänger der CIA; der Mann kannte sich besser in der Geschichte des Ladens aus als irgendjemand sonst.
»Bill Casey will das kommunistische Weltreich mit links erledigen«, sagte er und lachte trocken. »Sie wissen, dass er beim OSS war, oder? Und nebenbei Präsident der Börsenaufsicht. Der Typ ist’n gnadenloser, halsstarriger Knochenbrecher.
Mein Vater hat mit ihm Golf gespielt. Der konsequenteste Mann, der ihm je untergekommen ist, hat er gesagt.«
Lewis Cotten und ich pflegten eine seltsame Beziehung. Er wusste, warum ich dort war. Ich fungierte als der sprichwörtliche »stumpfe Gegenstand«. Später erfuhr ich, dass Cotten diese Variante des Spiels alles andere als fremd war. Zwar hatte er 1983 bei der Ermordung des nicaraguanischen Außenministers Miguel d’Escoto und 1984 bei der Tötung von neun Kommandanten des Sandinistischen Nationalrats lediglich die Fäden im Hintergrund gezogen, aber an den - erfolgreichen und erfolglosen - Anschlägen auf das Leben des panamaischen Geheimdienstche fs, General Manuel Noriega, des Präsidenten von Zaire, Mobutu Sese Seko, des Premierministers von Jamaika, Michael Manley sowie auf Gaddhafis, Khomeinis und des Oberbefehlshabers der marokkanischen Armee, General Ahmed Dlimi, war Lewis Cotten direkt beteiligt gewesen. Nachdem ich Nicaragua 1985 zum letzten Mal verlassen hatte, belastete er sein Konto mit weiteren achtzig Toten sowie einem Anschlag auf den libanesischen Schiitenführer Scheich Mohammed Hussein Fadallah.
Für Cotten schien es der Sinn des Lebens zu sein, andere sterben zu sehen. Zweck und Antrieb seines Lebens, und wenn wir einen neuen Auftrag hatten, packte er mich manchmal bei den Schultern, grinste breit und sagte: »Und? Willst du wissen, welches ahnungslose Arschloch heute den Gang zum Galgen antritt?« Das war sein Ausdruck - der Gang zum Galgen -, und obwohl wir nie jemanden aufgehängt haben und die Methode des Tötens immer auf Schüsse auf kurze Distanz aus der Faustfeuerwaffe oder lange Distanz aus dem Gewehr beschränkt blieb, hielt er an diesem Ausdruck fest. Zwischen September 1981 und Dezember 1984 - den drei Jahren, in denen Catherine und ich uns gegenseitig auf der Tasche lagen, in denen wir nie so recht wussten, ob wir den letzten Tag gerade überlebt oder gerade begonnen
hatten, in denen wir tranken und rauchten und vögelten, als wäre es das letzte Mal -, während dieser drei Jahre luden wir den Tod von dreiundneunzig Menschen auf unser Konto. Lewis Cotten bekam den Befehl, Catherine setzte den Termin fest, ich ging zum Rendezvous. Es war gut organisiert. Ein Mal wurde ich angeschossen. In den Oberschenkel getroffen. Ärzte und Chirurgen standen zur Verfügung. Ich war gerade mal drei Wochen außer Dienst.
Nachdem ich mein Bein auskuriert hatte, meldete ich mich wieder zur Arbeit. »Großer Gott«, sagte Cotten, als ich in das Zimmer in einem Hotel an der Grenze zum Residencial Linda Vista District nördlich der Laguna de Asososca gehumpelt kam, das ihm als Büro diente. »Wie lange dauert das, so einen winzigen Kratzer auszukurieren? Machst du dir überhaupt eine Vorstellung von dem Riesenhaufen Scheiße, den ich hier erledigen musste, während du deinen wunden Leib geschlagene drei Wochen lang zur Ruhe gebettet hast? Heiliger Saftarsch, wir sind doch nicht bei der Army. Womöglich brauchst du jetzt noch Reha? Verdammt, Robey, jetzt krieg aber die Kurve. Bring deine Freundin mit, und dann erzähl ich euch, was hier für’n Scheiß passiert ist, während ihr auf der faulen Haut gelegen habt.«
Aber dieses Gespräch fand Mitte 1983 statt, als ich meine Nummer eins längst vergessen hatte. Eine Tötung, die wichtig, entscheidend für mein Leben hätte sein sollen. Es aber nicht war. Jedenfalls nicht für mich. Erst später, spät in der Nacht - ich saß am Fenster eines Hotelzimmers an der Avenida 28a auf der Ostseite vom Barrio el Cortijo, dem Farmhouse -, dämmerte mir die eigentliche Bedeutung
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