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Vergib uns unsere Sünden - Thriller

Titel: Vergib uns unsere Sünden - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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dessen, was passiert war: Nicht, dass ich jemanden getötet hatte, war wichtig. Wichtig war, dass ich jemanden getötet und fast nichts dabei empfunden hatte.
    Damals in Langley, während der Wochen unserer Ausbildung,
hatten wir endlos darüber diskutiert, welche mentalen und emotionalen Wirkungen die Tötung eines anderen Menschen auf einen selbst haben kann. Alles nur Gerede. Anscheinend haben wir unsere Zeit dort mit Gerede verbracht. Man erzählte uns, dass manche Leute es trotz Ausbildung und bewusstseinsverändernder Methoden, trotz der Überzeugung, das Richtige zu tun - dass es manche Leute eben nicht zu Ende brachten. Und dann gab es welche, die brachten es zu Ende, richteten das Visier ein, schauten am Lauf entlang und drückten den Abzug, sahen den roten Punkt auf der Stirn eines wildfremden Menschen erblühen, brachten Ursache und Wirkung miteinander in Verbindung und begriffen, dass sie das selbst getan, dass sie eine menschliche Existenz beendet hatten. Die Kollision mit dem Vorschlaghammer der Realität kam erst später, und dann kotzten sie sich aus oder besoffen sich oder saßen heulend in der Ecke und fragten sich, was ihre Mama sagen würde, wenn sie das gesehen hätte.
    Einmal hat einer so einem Arschloch in den Kopf geschossen, direkt ins Auge, und als er auf den Toten hinuntergeschaut und das Ergebnis und die Konsequenzen seiner Tat begriffen hat, hat er sich die Waffe in den Mund gesteckt und sich die Schädeldecke weggeschossen.
    So emotional und melodramatisch lief es bei mir nicht ab.
    Ich saß in einem Flur vor einem Büro und wartete geduldig, bis der kleine Mann im cremefarbenen Anzug den Flur entlangkam, und als er auf meiner Höhe war, stand ich auf, richtete die Waffe auf seinen Kopf und schoss ihm in die Schläfe. Die andere Gesichtshälfte klatschte an die Wand gegenüber. Die Farbe und Plötzlichkeit überraschten mich. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Ich blieb ein paar Sekunden lang stehen, blickte hinunter auf den Mann auf dem Fußboden. Ich sah die dunklen Flecken unter den Achseln seines Anzugs. Ich hatte eine Waffe mit Schalldämpfer
benutzt, deshalb kam niemand angelaufen, um zu schauen, was passiert war. Mein Puls schlug normal, die Herzfrequenz hatte sich nicht erhöht, und mir fiel ein, was Lewis Cotten gesagt hatte, als er mir das Schwarz-Weiß-Foto des Mannes gab: »Er ist der Allianz im Weg. Mehr hat man mir nicht gesagt, mehr kann ich Ihnen nicht sagen, und mehr müssen wir nicht wissen - deine Freundin weiß, wo er morgen zu finden ist, und du bist pünktlich vor Ort und schießt ihm in die Rübe, okay?« Cotten hatte gelächelt, um dann die Worte zu sagen, die er vor jedem neuen Job sagte. Erst das Lächeln, das Augenzwinkern, der vielsagende Blick, und dann: »Ach ja, noch was, Robey« - er wartete einen Herzschlag lang, großes Timing, begnadeter Komödiant -, »vermassel es nicht, okay?«
    Ich blieb noch eine, vielleicht zwei Minuten dort stehen, zu meinen Füßen ein toter Mann, große Teile seines Kopfinhalts an der Wand gegenüber, und fragte mich, ob das jetzt mein Leben sein würde, das, was ich von nun an tun, für das man sich an mich erinnern würde. Hallo, mein Name ist John Robey. Was ich mache? Ach, nichts Besonderes … Wissen Sie, ich lege im Auftrag der Regierung Leute um, das mache ich.
    Und wir waren so überzeugt davon, das Richtige zu tun, Catherine und ich. Wir lebten, als existierten wir nicht, wechselten von einem Hotelzimmer ins nächste, von einem verlassenen Apartment auf der Nordseite der Reparto Los Arcos in eine halbzerfallene Backsteinvilla in Barrio Dinamarca. Aßen in Restaurants, sahen die Leute kommen und gehen - Company-Leute -, erkannten an ihrer Kleidung oder ihren Worten, wer sie waren, wer dazugehörte und wer nicht, die Oldtimer und Veteranen, die Greenhorns, das Kanonenfutter.
    »Raus aus dem Landungsboot, über den Strand und rein ins Sperrfeuer«, sagte Cotten und grinste sein irres Grinsen, und ich wunderte mich mal wieder über den Wahnsinn der
Welt, während ich schon den ersten Blick auf das Foto des nächsten Kandidaten warf.
    Ich brauchte ein Jahr, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was da unten passierte, was es mit La Allianza auf sich hatte, und dann fing ich an zu begreifen, dass es in Nicaragua überhaupt nicht um Kommunismus ging. In Nicaragua ging es um etwas ganz anderes. Als wir verstanden hatten, um was es ging, war es zu spät, nach Hause zu fahren. Wir waren so geworden, wie Lawrence Matthews,

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