Vergib uns unsere Sünden - Thriller
normalen Welt draußen hätte man den wohin gesperrt, wo er keinem mehr was tun kann, mit Bastelpapier und roten Wachsstiften und so. Aber seine Akte muss wohl ganz okay gewesen sein, und nach seinem verdammten Gig im September war er hier auf einmal der King. Ich wusste nicht so recht, was ich von ihm halten sollte. Irgendwie zu heftig für mich, der Knabe.«
»Das war der mit dem Koks, oder?«
»Ja. Das war mal’n richtig erstklassiges Zeug.«
»Und es ist aus dem Safe verschwunden?«
»In null Komma nichts«, sagte Tannahill. »Die internen Ermittler standen sofort auf der Matte. Sie haben McCullough verhört, aber das waren drei Hampelmänner, die hat einer wie McCullough vor dem Frühstück in der Pfeife geraucht. Das Ganze war ein verdammter Zirkus. Kein Arsch wusste, was wirklich passiert war. Verhaftet haben sie niemanden, wen auch? Der Typ in der Asservatenkammer war ein Ausbund an Pflichtbewusstsein, saß seit gefühlten dreihundert Jahren in dem Kabuff. Ich kann euch sagen, ein verdammtes Phantomkoks war das.«
»Glauben Sie, McCullough hat das Zeug genommen?«, fragte Roth.
»Wer denn sonst?«, antwortete Tannahill, ohne zu zögern. »Würde mich nicht wundern, wenn der Kerl direkt in die Kammer spaziert ist und den verdammten Stoff eingesackt hat.«
»Glauben Sie, er war User?«
»Dem war alles zuzutrauen. Drogen. Schutzgeld. Nutten. Sore als Nebenverdienst. Was weiß ich, Mann, ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, dass die Scheiße hochgekocht ist, als das Koks weg war, die interne Ermittlungseinheit ist durchgerauscht wie ein nasser Wirbelsturm, und dann war Ruhe bis Oktober.«
»Die Drogenrazzia«, sagte Roth.
»Razzia?«, sagte Tannahill lächelnd. »Wer sagt, das war’ne Razzia? Ein verdammter Reinfall war das. Der V-Mann erschossen, McCullough angeschossen. Und wen immer die hochnehmen wollten, die sind unbehelligt da rausspaziert …«
»Sie sagen, es war keine Razzia?«, fragte Metz. »McCullough ist da auf eigene Faust reingegangen?«
»Na klar.«
»Aber so stand es nicht in der Zeitung …«
»PR-Abteilung«, sagte Tannahill. »Eine Razzia, die in die Hose geht, hört sich immer noch besser an als ein durchgeknallter Cop und ein V-Mann, die die Welt verändern wollen.«
Roth schwieg einen Moment, nahm das Gehörte in sich auf.
»McCullough war auf dem absteigenden Ast, verstehen Sie?«, fuhr Tannahill fort. »Nach der Geschichte im September fing er an, Scheiße zu bauen. Kam ständig zu spät. Bill Young hat ihn öfter durch die Mangel gedreht, als ich mitzählen konnte. Soweit ich weiß, wollte Young schon disziplinarische Maßnahmen einleiten, da kriegten wir auf einmal einen Wink, dass McCullough noch so ein Ding wie im September plante, nur noch ein paar Nummern größer. Wir alle fieberten der Einsatzbesprechung entgegen … Alles stand in den Startlöchern, als wir auf einmal hören, dass McCullough das Ding mit einem schwarzen Jungen auf eigene Faust durchgezogen hat, der schwarze Junge wurde erschossen, und McCullough stand wieder im Visier der internen Ermittlungseinheit und Gott weiß wem noch.«
»Aber es ist gar nicht zu einer internen Untersuchung gekommen, zumindest hab ich Young so verstanden«, sagte Roth.
»Weil McCullough verschwand wie das Koks im September. Weil er verschwand und nicht mehr gesehen wurde.«
Roth schwieg. Er sah Metz an. Metz’ Gesicht war ausdruckslos.
Tannahill zuckte die Achseln. »Ich denke, das wäre alles. Mehr kann ich euch nicht erzählen.«
»Eins noch«, sagte Roth. »Wir haben nirgends ein Foto von ihm gefunden. Sein Bankkonto hat er noch mit einem alten Ausweis ohne Foto eröffnet.«
»Mist, das weiß ich auch nicht«, sagte Tannahill. »Seine Akte haben die Internen damals mitgenommen. Die Akten werden nicht mehr im Revier aufbewahrt. Das ist jetzt alles zentralisiert, irgendwo drüben im Elften. Ihr könntet hinfahren und …« Tannahill brach mitten im Satz ab. Er schüttelte nachdenklich den Kopf. »Moment mal …«
»Was?«, fragte Roth.
»Die Bewertung«, sagte Tannahill. »Gleich nach der Razzia im September hatten wir eine Revierbewertung.«
Roth nickte, ein Lächeln auf dem Gesicht. »Die Fotos für die Bewertungsakte, richtig? Habt ihr sie hier?«
»Sicher«, sagte Tannahill. »Ich geh mal nachsehen, wenn ihr hier warten wollt?«
»Und ob«, sagte Roth. »Hier?«
Tannahill erhob sich. »Ach, Unsinn, das ist ein Stockwerk höher, da könnt ihr auch gleich mitkommen und suchen helfen.«
Roth und Metz
Weitere Kostenlose Bücher