Vergib uns unsere Sünden - Thriller
Handvoll von anmaßenden Betonköpfen, die nicht über den Tellerrand ihrer tief verwurzelten Dogmen hinausblicken.«
So funktionierte Don. Er erklärte mich für gut. Er erklärte mich für unabhängig. Er erklärte jeden Gedanken, der mir je durch den Kopf gegangen war, zu einem vollkommen selbstbewussten und eigenständigen Gedanken, denn sonst hätte ich ihn gar nicht denken können.
Im Rückblick offenbart sich mir die Arglist, die dahintersteckt. Die einführenden Treffen, die Atmosphäre der Offenheit in den Diskussions foren. Wir trafen uns zwei-, manchmal dreimal am Tag. Kaffee, Zigaretten, bequeme Sessel, acht, zehn oder zwölf Leute in einem Raum, Don meistens dabei, dazu ein anderer Mann namens Paul Travers, den ich auch für einen Hirten hielt. Und sie plauderten drauflos, erzählten immer wieder dasselbe, und die ganze Zeit waren wir unter Beobachtung, durch Einwegspiegel auf der rechten Seite des Raums schauten uns Leute zu. Bei jedem Treffen ein neues Thema. Den ganzen Dezember, Gespräche über den Tod John Lennons, die in El Salvador getöteten amerikanischen Nonnen, die Rückkehr José Napoleón Duartes und die Vier-Mann-Junta. Wir redeten über Reagan, Carter, Bush sen., die Hungerstreiks in Ulster, die Ermordung von Anastasio Somoza Debayle, dessen Mercedes-Benz in Asunción, Paraguay, von einer kleinen Gruppe von Männern mit automatischen Waffen und einer Panzerfaust in einen Hinterhalt gelockt worden war. Die Polizei in Asunción berichtete über die Festnahme mehrerer Männer, aber die Anklage wurde mit Unterstützung der regierenden Junta - die ungeniert ihrer »Freude
über den Tod eines bösen Mannes« Ausdruck gab - niedergeschlagen. Die Diskussion darüber dauerte mehrere Tage. Ich begann zu vermuten, dass wir von Carvalho und Travers in diese Richtung gelenkt worden waren. Don wusste immer mehr zu sagen als alle anderen. Er wusste immer mehr über Geschichte und Hintergründe der Themen, über die wir diskutierten. Die Tage vergingen. Neue Leute trafen ein. Andere schienen still und leise verschwunden zu sein.
»Kein ideales Material für unsere Zwecke«, erklärte mir Don, als ich nach diesen Leuten fragte.
»Kein ideales Material?«, fragte ich, verblüfft über den Ausdruck.
»Keine freien Denker. Nicht offen. Wir sprechen gerne von der simultanen Perspektive. Der Fähigkeit, eine Situation von zwei Seiten, komplexere Situationen auch von drei oder vier Seiten zu betrachten, verstehen Sie? Wir brauchen mehr solche Leute, mein Freund - Leute wie Sie.« Er lächelte, legte mir die Hand auf die Schulter und gab mir wieder das Gefühl, wegen einer mir innewohnenden Fähigkeit, von der ich ein bisschen mehr besaß als die meisten anderen, ausgewählt worden zu sein.
Und bei ihr war es dasselbe. Ich habe sie am gleichen Tag gesehen - dem 10. Dezember -, als sie direkt vor dem Fenster der Cafeteria vorbeiging, in der ich mit Don saß, ein knöchellanger Kamelhaarmantel und die türkisfarbene Baskenmütze, und sie kam herein, bestellte am Tresen einen Kaffee zum Mitnehmen und wartete geduldig und ohne sich umzudrehen auf ihre Bestellung.
Beim Hinausgehen schaute sie zu mir her. Es hätte ausgesehen, als wäre in meinem Kopf eine Glühbirne angeschaltet worden, sagte Don später. Ich sah mich als Karikatur, eine Figur aus Hanna Barbera, die Zunge ausgerollt bis zum Boden, die Haare senkrecht, Qualmwölkchen aus den Ohren. Wer kennt die nicht. An dem Tag sah ich Catherine Sheridan
zum ersten Mal, auch wenn sie damals anders hieß. Ich sah sie und wusste, dass ich sie kennenlernen wollte: ihren Namen, ihre Tätigkeit, ihre Vorstellungen, Gedanken, Ideologien und Überzeugungen.
Don Carvalho bemerkte meinen Blick und lächelte in sich hinein.
Ich starrte ihr nach, als sie den Laden verließ und ihres Weges ging. Den Impuls, aufzustehen und ihr nachzugehen, wird er mir vom Gesicht abgelesen haben. Jedenfalls fasste er nach meinem Arm, ganz sanft, wie schon so oft und so oft danach.
»Ruhig Blut, John«, sagte er, die Stimme beinahe ein Flüstern. »Sie kommt morgen in die Diskussionsgruppe.«
16
»Jetzt checken wir diese Isabella Cordillera«, sagte Roth, als Miller den Motor anließ und vom Randstein wegfuhr.
»Und reden mit Lassiter«, sagte Miller. »Wir müssen ihn auf dem Laufenden halten.«
Roth schaute auf die Uhr. »Kurz nach vier … Lassiter ist bis fünf im Büro, höchstens bis halb sechs.«
Miller lächelte.
»Was?«
Miller schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, unser
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