Vergiftet
eleganten Selbstverständlichkeit den Raum. Irgendwie scheint jeder Raum größer zu werden, wenn sie ihn betritt. Sie hat wieder ihr ansteckendes, verführerisches Lächeln aufgelegt, als sie sich umschaut.
»Ich wollte eigentlich zu Reinertsen …«
»Ich bin gerade erst gekommen«, antwortet Thorleif. »Habe ihn noch nicht gesehen.«
»Da kann man nichts machen. Aber vielleicht magst du mich ja zu einem Job begleiten?«
»Klar. Was steht an?«
»Nichts Aufregendes, wir sollen zu einem Anwalt rausfahren, der heute Heimdienst hat. In einer Viertelstunde müssten wir los.«
»Okay. Brauchen wir was Spezielles für die Aufnahme?«
»Nein. Du hast ohnehin das beste Equipment …«
Thorleif lächelt und schaut ihr nach, als sie zum Wasserspender geht und einen Plastikbecher zieht. Die Jeans sitzt straff um Waden und Oberschenkel. Die Jacke reicht halb über ihr Hinterteil und lässt erahnen, was sich darunter verbirgt. Die Kunst der Andeutung – Guri Palme beherrscht sie im Schlaf.
»Du kannst mir sicher weiterhelfen«, sagt Thorleif und dreht sich auf dem Stuhl um.
»Womit?«
»Du hast doch lange im Ressort Kriminalität gearbeitet. Habt ihr da auch Autokennzeichen gecheckt?«
»Ja, das kam vor, recht häufig sogar. Wieso?«
Thorleif zögert mit der Antwort. »Reine Neugier.«
»Man schickt das Kennzeichen einfach an einen SMS -Dienst, aber die Nummer habe ich gerade nicht parat. Du kannst aber auch einfach im Brønnøysund-Register nachsehen.«
»Kannst du mir das kurz zeigen?«
»Aber sicher«, sagt sie, lächelt und ist mit wenigen Schritten bei ihm. Thorleif rückt zur Seite, um ihr Platz zu machen. Guri Palme beugt sich über die Tastatur, das Haar fällt ihr vors Gesicht, aber sie schiebt die blonden Locken hinter die Ohren, damit sie nicht im Weg sind. Sie duftet gut, Thorleif kann nicht sagen, ob nach Shampoo oder Parfüm. Ist ja auch egal. Jedenfalls duftet sie gut.
»Hier«, sagt Palme und dreht sich zu ihm um. »Du gibst das Kennzeichen in dieses Feld ein«, sagt sie und deutet auf den Bildschirm. »Dann drückst du Enter und wirst weitergeleitet auf eine Seite mit Informationen über das Fahrzeug.«
»Wow«, sagt er. »So schnell geht das? Danke.«
»War mir ein Vergnügen. Aber jetzt mach dich fertig. In einer Viertelstunde ist Aufbruch.«
»Okay. Ich warte unten in der Garage.«
Palme verschwindet hinter ihm, nur ihr Duft hängt noch in der Luft. Blauer Himmel und Blumenwiese, denkt er.
Er schiebt den Gedanken beiseite und konzentriert sich auf das, was er eigentlich vorhat. Er gibt das Kennzeichen des aufdringlichen BMW in das Suchfeld ein und drückt Enter . Ein neues Fenster öffnet sich.
Per 27.07.2009 wurde folgende Pfandschuld auf die Registrierungsnummer BR 65607 gerichtlich eingetragen: erweiterter Eigentumsvorbehalt für Kfz Valuta (NOK) 763 910,00. Für weitere Informationen klicken Sie das Datum der Pfandschuld an.
Thorleif sieht sich das Datum an.
Einsender 1134291 DNB NOR
Finans Postbanken Autokredit
Leasingabteilung Postboks 7125
5020 BERGEN
Betrifft Person/Unternehmen:
Ravndal Anthon
Bekkestuveien 13a
1357 Bekkestua
»Anthon Ravndal«, sagt Thorleif und sucht die Telefonnummer des Mannes heraus. Man weiß ja nie.
20
»Du bist dran, Henning.«
Er sieht auf und begegnet dem strengen Blick der Redaktionschefin Heidi Kjus. Erst jetzt fällt Henning ihre neue Frisur auf, kurz und modern, ohne dass er genau sagen könnte, warum ihm dieser Schnitt modern erscheint. Und endlich einmal hat sie sich nicht in Warnfarben geschminkt.
»Hm?«
»Was ist mit dir? Was hast du heute auf der Agenda? Iver, Rita und Jørgen haben uns ihren Plan ja schon vorgestellt. Das hast du doch mitbekommen, oder?«
»Ja doch.«
»Und was hast du heute vor?«
Henning wirft einen Blick auf den Block, den er eigentlich nur mitgenommen hat, um den Schein zu wahren. Das oberste Blatt ist leer. Er hat kurz überlegt, dort Tore Pullis Namen zu notieren, ist dann aber zu dem Schluss gekommen, dass das noch lange keine Story ist.
»Hm, ich weiß nicht recht«, beginnt er.
Es wird still um ihn herum. Die Blicke der anderen kribbeln auf seiner Stirn.
»Zurzeit tut sich ja nicht viel.«
»Schon wieder nichts, Henning?«, fragt Heidi.
»Es passiert doch nichts. Ich meine, der ganze Sommer war eine Durststrecke.«
Kjus sieht ihn über ihre Brille hinweg an, ehe sie sie zurück auf die Nasenwurzel schiebt. Auch die Brille ist ihm noch nie zuvor aufgefallen.
»Dessen bin ich mir durchaus
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