Vergiss es Baby - Roman
nicht lange.
»Florian war so freundlich, mich reinzulassen, während du geduscht hast.«
Mama legte ein in Alufolie gewickeltes Gebilde auf die Küchenablage. Diverse Tupperschälchen folgten.
»Jetzt muss ich aber los. Ich will auf keinen Fall meine Stunde versäumen.«
Mama gehörte zu den Menschen, die von geruhsamen Sonntagen, die man zwecks innerer Sammlung nach einer anstrengenden Arbeitswoche auf der Couch, im Liegestuhl oder im Biergarten verbrachte, nichts hielten. Lieber strampelte sie sich in einem Fitnessclub ab, wo sie ihre Freundinnen traf und regelmäßig eine Cyclingstunde besuchte. Das hatte Marlene noch nie verstanden. Wieso sollte man sich freiwillig in einen kleinen Raum sperren lassen, wo man, dröhnende Musik in den Ohren und den Geruch von Achselschweiß in der Nase, in die Pedale trat? Auch wenn ihr Vergleichsmöglichkeiten fehlten, glaubte sie doch zu wissen, dass eine Radtour entlang den Isarauen den gleichen Fitnesseffekt hatte.
Ihre Mutter schnappte sich ihre Sporttasche und war wenig später verschwunden. Diesmal hatte sie sich sogar die obligatorische Aufforderung gespart, Marlene möge sie begleiten.
Wenn sie den Tag nicht damit verbringen wollte, über Valentins nächtliche Abwesenheit zu grübeln, war Arbeit nicht die schlechteste Alternative. Später wollte sie eine Kollegin im Krankenhaus besuchen, die sich beim Tennis einen derart komplizierten Oberschenkelbruch zugezogen hatte, dass ihr Bein in einer Schlinge steckte und sie auf Anweisung der Ärzte das Bett hüten musste. Doch bis es so weit war, würde Marlene den Vormittag damit verbringen, sich ein wenig detaillierter mit dem Berufsbild einer Sportagentin auseinanderzusetzen. Wozu gab es das Internet?
Als Ehefrau eines Spielers, so sagte ihr das Netz, brauchte sie keine Vermittlungslizenz, um durchzustarten. Schade. Eine Lizenz wäre toll gewesen. Es wäre nett gewesen, sich wie Pussy Galore zu fühlen. Die war zwar Pilotin, aber hey, irgendwelche Vorbilder brauchte eine Sportagentin doch wohl, oder?
»Neben fundierten juristischen Kenntnissen im Persönlichkeits- und Vertragsrecht leben erfolgreiche Vermittler von ihren Kontakten zu Fußballmanagern, von ihrer Menschenkenntnis und ihrem Fußball-Sachverstand« , wusste der Jobatlas der »Süddeutschen Zeitung« zu berichten.
Aha. Wenn’s weiter nichts war. Das kriegte sie hin. Für die vertragliche Seite konnte sie einen Anwalt engagieren, der sich um den Papierkram kümmerte, und sie hätte den Kopf frei für die wirklich wichtigen Dinge.
Mal sehen. Da wäre zunächst die Kontaktanbahnung. Eine ihrer leichtesten Übungen, solange sich reichhaltige Mahlzeiten und ein wohlsortiertes Angebot an Alkohol in ihrer Nähe befanden. Ihr Gefühl sagte ihr, dass in den VIP-Lounges der Fußballarenen, die sie demnächst aufzusuchen gezwungen sein würde, beides vorhanden war. Falls nicht, nun, dann würde sie, Marlene Dittrich, das ganz schnell ändern. Sie würde den Deal einfädeln, der Öttken als Caterer verpflichtete, und quasi nebenbei den höchstdotierten Vertrag, den der Transfermarkt hergab, abschließen. Bei der anschließenden Siegesfeier, dem Kontaktmarkt schlechthin, dürfte dann mit literweise Schampus gefeiert werden. Es gab schlechtere Jobs.
Was allerdings ihre Menschenkenntnis anbelangte, nun, da konnte sie nicht leugnen, in der Vergangenheit gewissen Irritationen ausgesetzt gewesen zu sein. Wenn sie nur daran dachte,
auf welch peinliche Art und Weise sie zu ihrem Ehegatten gekommen war!
Anfangs hatte es gar nicht danach ausgesehen, als hätte sie mit ihm einen glücklichen Griff getan, doch inzwischen war sie stolz auf ihre Beute.
Wie viele Frauen schafften es denn schon, sich einen echten Promi an Land zu ziehen? Noch dazu einen, der momentan überaus gefragt war? So gefragt, dass er gezwungen war, sich eine Weile versteckt zu halten. Das war natürlich dumm, wenn man mit ihm angeben wollte, aber soooo schlimm nun auch wieder nicht. Sie konnte warten. Ihre Zeit würde schon noch kommen.
Bliebe der sogenannte Fußballsachverstand, der ihr, das gab sie gerne unumwunden zu, fehlte. Ein kleines Problem. Aber keines, das sich nicht lösen ließe. Es kam eben ganz darauf an, was man unter Sachkenntnis verstand. Für Männer erschöpfte sich dieses Wissen in der Diskussion um Raumdeckung, Viererketten und Abwehrfehlern. Und natürlich in der Frage, wie man Frauen davon abhielt, sich einzumischen, ohne dass es allzu sehr auffiel. Gerne wurde zur Verteidigung
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