Vergiss es Baby - Roman
mehr. Was also willst du noch? Schenk ihr was Nettes, und dann verschwinde endlich.«
Der Ton, in dem Alibek von Marlene sprach, gefiel ihm nicht. Sie war keine jener Frauen, die man mitnahm, weil sie sich anboten, und der man überdrüssig wurde, noch bevor es Zeit war, die Bettlaken zu wechseln.
Sie war …
Sie war Marlene. Ganz einfach. Marlene Dittrich, nicht Dietrich. Genau deshalb gefiel sie ihm. Auch wenn sie ihn mit ihrem Wahn, seine Beraterin zu spielen, bis aufs Äußerste provozierte.
Wie also sollte er Alibek erklären, welche Beziehung er zu ihr hatte. Er wusste es doch selbst nicht. Vielleicht so?
»Hör mal, Alibek, ich lebe mit Marlene zusammen, weil es mir gefällt. Das zusammen Leben meine ich, nicht das Zusammenleben. Das tun wir nämlich keineswegs. Und das soll auch so bleiben. Deshalb haben wir ja geheiratet. Wie du siehst, ist alles in bester Ordnung. Auch beruflich. Gerade beruflich.
Nach dieser Rede würde sich Alibek glatt nach einer Zweitwohnung in München umsehen. Erst recht, wenn er erfuhr, dass er sich von einer Agentin vertreten ließ, die weder den Markt kannte noch etwas vom Geschäft verstand.
»Ist es was Ernstes?«, hakte er nach, den Mund voller Breze. Eindringlich musterte er seinen Freund in Erwartung einer Erklärung.
»Das hätte es vielleicht werden können«, sagte Valentin nachdenklich, »wenn ich es nicht von Anfang an gründlich vermasselt hätte.«
»Das ist typisch für dich.« Alibek grinste ihn an, während er schwungvoll sein Frühstücksei köpfte. »Wie schon dein Trainer bei Kairat zu sagen pflegte: Das Spiel ohne Ball ist eben einfach nicht dein Ding.«
Als Valentin in die WG in die Ysenburgstraße zurückkehrte, war von Marlene weit und breit nichts zu sehen. Schade. Aber was hatte er erwartet? Es war ein strahlend schöner Sonntag. Warum also sollte sie zu Hause hocken und auf ihren Mann warten?
Er schlüpfte in eine ausgebeulte Trainingshose und ein Sweatshirt mit Kapuze und sah sich nach seinen Laufschuhen um. Als er im Flur einen Blick in den Garderobenspiegel riskierte, musste er lachen. Noch vor ein paar Tagen wäre es undenkbar für ihn gewesen, in einem derart schlampigen Aufzug das Haus zu verlassen. Doch inzwischen hatte er sich eine Auswahl unauffälliger Alltagsklamotten zugelegt, die er mit der gleichen Selbstverständlichkeit trug, mit der er sich früher in seine Designerkluft geschmissen hatte. Seine diversen Töpfchen und Tiegelchen, sein Duftwasser, After Shave und die Hairstylingprodukte hatte er gar nicht erst ausgepackt, sondern Florian ausgehändigt, der sie in seinem Zimmer bunkerte. Stattdessen hatte er sich mit einfachen Drogerieartikeln eingedeckt. Unglaublich, dass er all das getan und tatsächlich überlebt hatte.
Noch immer grinsend zog er die Tür hinter sich zu, rannte
die Treppe hinunter und trabte dann in eher gemächlichem Tempo in Richtung des Nymphenburger Kanals. Dass er schlecht in Form war, hatte er gewusst, aber dass ihm bereits nach einer knappen halben Stunde Sprint die Puste ausgehen würde, damit hatte er nicht gerechnet. Der Restalkohol konkurrierte mit dem Sauerstoff in seinem Blut, seine Lungen brannten, und es fiel ihm von Minute zu Minute schwerer, einfach weiterzulaufen. Trotzdem drehte er, nun in gemächlicherem Tempo, Runde um Runde durch die weitläufigen Anlagen des Schlossparks und gab erst auf, als er zum fünften Mal am Palmengarten vorbeikam. Nachdem er seine Dehnübungen gemacht hatte, joggte er langsam zurück. Leichter Nieselregen hatte eingesetzt, ein kalter Wind kam auf und ließ ihn frösteln.
In der WG duschte er lange und ausgiebig, bevor er in seine Renovierungsklamotten stieg.
Der Anblick der Parkettschleifmaschine jagte ihm Angst ein. Als er sie einschaltete, gab sie ein derart ohrenbetäubendes Getöse von sich, dass er hektisch den Stecker zog. Marlene einen Gefallen zu tun, indem er endlich den verdammten Boden abschliff, hatte er sich entschieden einfacher vorgestellt. Vielleicht sollte er die Sache einem Profi überlassen und sich anderen, einfacheren Aufgaben zuwenden. Er hatte sich vorgenommen, das alte Küchenbord abzuschleifen, zu lackieren und mit neuen Beschlägen zu versehen. Das müsste zu schaffen zu sein. Trotzdem vor die Wahl gestellt, die Schleifmaschine oder den Kochlöffel zu schwingen, entschied er sich für Kochen. Das war ungefährlicher. Zwar konnte er nicht wissen, ob jemand zum Essen da sein würde, aber so war das eben in der Ysenburgstraße.
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