Vergiss es Baby - Roman
Soße, einem saftigen Schweinsbraten und Schokoladenmousse mit Sahne war also praktisch eine Investition in ihre Gesundheit. Jawohl!
Die Bedienung erschien mit den Speisekarten. Sie beobachtete Karl, der statt in die Karte lieber in den Ausschnitt des
Dirndls stierte, und grinste in sich hinein. Der arme Kerl hatte in letzter Zeit wenig Gelegenheit gehabt, seine Minigurke in ihr zu versenken. Die unfreiwillige Abstinenz setzte ihm offenbar zu. Vergeblich suchte Marlene in ihrem Innern nach Schuldgefühlen oder nach einem Anflug von schlechtem Gewissen. Da war nichts. Nichts, außer der Erkenntnis, dass sie sich für seine Bedürfnisse nicht länger verantwortlich fühlte.
Sie bestellten jeder eine Halbe und widmeten sich der Karte. Die bayerischen Schmankerln trafen Marlenes Geschmack.
»Warum sind wir nicht zum Vietnamesen gegangen?«, meckerte Karl. Er ernährte sich vegetarisch und war von dem kleinen, aber feinen Angebot an Sommersalaten, den Käsespatzen, diversen Suppen und Gebäck nur schwer zu überzeugen.
»Du hast den Biergarten selbst vorgeschlagen, wenn ich mich nicht irre.«
»Stimmt. Weil ich dir einen Gefallen tun wollte!«
Alarmiert zog sie die Augenbrauen hoch und vertagte ihre Entscheidung, ob sie Schweinsbraten oder Haxe bestellen sollte.
»Karl«, hob sie an und zwang sich, nicht ungeduldig zu klingen, »du weißt, wie sehr ich es hasse, wenn du etwas nur mir zuliebe tust.«
Er legte die Speisekarte zur Seite und blickte sie mit großen Augen an. Sie kannte diesen treudoofen Dackelblick und wusste, er war beleidigt. Warum konnte er nicht verstehen, dass sie keine Freude empfand, wenn er sich ihr gegenüber zu etwas verpflichtet fühlte? Diese Haltung war ihr schon immer auf die Nerven gegangen. Insbesondere dort, wo sie sich normalerweise trafen: im Bett. Regelmäßig verlor sie die Geduld, noch bevor er sein obligatorisches »Ist es so schön für dich?« anbringen
konnte. Lieber dirigierte sie ihn, was ungefähr so war, als schlafe sie mit einem sprechenden Vibrator.
»Warum? Was ist so schlimm daran, wenn ich auf deine Wünsche eingehe?« Nichts. Wenn es denn so wäre.
Er griff über den Tisch nach ihrer Hand und streichelte ihre Fingerspitzen. Seine Berührung war ihr unangenehm, und sie entzog sich hastig. Er hatte nicht die Kraft, sie festzuhalten.
So wie er nicht die Kraft hatte, sich mit ihr auseinanderzusetzen.
Immer redete er ihr nach dem Mund, bei den seltenen Gelegenheiten, die sie überhaupt miteinander sprachen. Als habe er keine eigene Meinung, übernahm er einfach ihre. Merkwürdig, dass ihr sein Harmoniebedürfnis erst jetzt auffiel.
Eigentlich hatte sie erwartet, Karl würde sie nach Valentin ausfragen. Nach seinem Auftritt am Morgen hatte sie mit Vorwürfen, Attacken und Beleidigungen gerechnet, sich auf waidwunde Blicke, Märtyrergehabe und dramatisches Schweigen eingestellt. Aber anscheinend hatte Karl seine Strategie geändert. Er wartete einfach ab.
»Ich denke, wir sollten ein paar Dinge klarstellen.« Sie war in Angriffslaune, während er einfach nur dasaß, entschlossen, Probleme, sollte es denn welche geben, einfach wegzulächeln.
»Ich verstehe schon, Marlene. Es ist nicht nötig, irgendetwas zu erklären.«
Dann eben nicht. Es war ja nicht so, dass sie einem Streit aus dem Weg ging. Aber zu einer handfesten Auseinandersetzung gehörten nun einmal zwei, sonst konnte jede noch so hitzige Diskussion schnell langweilig werden.
Das Bier kam gerade im richtigen Moment. Sie nahm einen
großen Schluck. Karl rührte sein Glas nicht an. Die Rolle des betrogenen Liebhabers, der sich widerstandslos in sein Schicksal fügte, erforderte seine ganze Konzentration.
Sie bestellten. Karl entschied sich für einen Sommersalat, Marlene bestellte Schweinsbraten mit Extraknödel und einer Extraportion Soße.
Sie schwiegen. Karl spielte mit seiner Serviette. Dann begann er, die Ecken der Tischdecke in seinen Händen zu kneten, bevor er eine Breze aus dem Brotkorb nahm und akribisch das Salz abkrümelte. Er vermied ihren Blick und gab vor, sich brennend für ein Kind zu interessieren, das seine Eltern am Nachbartisch auf Trab hielt.
Marlene wünschte, sie hätte sich etwas zu lesen mitgenommen. Oder ihren Laptop dabei. Dann hätte sie ihre längst fällige Spesenabrechnung machen können. Oder gleich die Steuererklärung. Das waren doch Beschäftigungen, die man sich wünschte, wenn man an einem Samstagabend bei für die Jahreszeit ungewöhnlich lauen Temperaturen im
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