Vergiss mein nicht!
sage ich, ohne nachzudenken.
Er legt seinen Kopf schief. »Im Ernst? Darum geht es also die ganze Zeit? Du hältst nichts davon, dass Leute ihre Talente benutzen, um beim Sport zu gewinnen? Bist du Naturalistin? Sollten wir uns mit den Normalen zusammenschließen?«
Wir umrunden ein Ziegelsteingebäude und biegen in einen breiten Weg Richtung Parkplatz ein. »Nein, überhaupt nicht. Ich halte Talente für wichtig. Die Menschen können sie nutzen, um ihr Leben in vielen Belangen voranzubringen. Meine Gabe hat mir geholfen. Ein Leben ohne kann ich mir gar nicht vorstellen. Aber Para-Football, ich finde das einfach nur langweilig.«
»Autsch. Du willst also beim Spiel mehr Spieler sehen, die sich gegenseitig über den Haufen rennen? Ist es das? Moment mal«, sagt er, bevor ich ihm eine Antwort geben kann. »Willst du damit sagen, dass du regelmäßig Norm-Football guckst?«
»Nicht regelmäßig.«
»Das wird ja immer schlimmer. Sag mir eins: Hast du mich je spielen sehen?«
Ich massiere meine Stirn. Die Beule ist schon lange verschwunden, aber ich stöhne noch einmal, um ihm eins auszuwischen.
Er lacht und boxt mich mit dem Ellenbogen in den Arm. »Das zählt nicht. Ich meine, in einem Spiel.«
»Nein, ich bin das letzte Mal in der Neunten bei einem gewesen.«
Wieder dieses ansteckende Lächeln. »Mein Ego profitiert nicht gerade von dir.«
»Ich finde, es profitiert sogar sehr.« Ich lächle honigsüß.
»Addie, du bist nicht wie die anderen, oder?«
Unverschämtheit. Ich versuche ihn mit meiner Schulter in den Arm zu boxen, so wie er es eben bei mir getan hat. Nur funktioniert das nicht und der Versuch allein lässt mich fast stolpern.
Er streckt seine Hand aus. »Alles in Ordnung?«
»Ja.« Ich blicke mich um, als suchte ich nach dem Gegenstand, der mich zum Stolpern gebracht hat.
»Inwiefern hat dein Talent dir geholfen?«, fragt er.
»Was?«
»Du hast vorhin gesagt, dass du es völlig in Ordnung findest, wenn Menschen ihre Talente benutzen, um voranzukommen. Deins hätte dir schon geholfen. Inwiefern?«
»Manchmal kann ich ausloten, in welchen Fächern ich besser bin, welche Projekte besser laufen. All so was.«
»Dann bist du also eine Hellseherin.«
»Ach so!« Ich bin überrascht, weil ich davon ausgegangen war, dass Bobby ihm von meiner Fähigkeit erzählt hatte. »Ja. So in der Art.« Eigentlich heißt meine Gabe Divergenz, was in verschiedenen Richtungen von einem gemeinsamen Punkt abweichen bedeutet. Es war eines der ersten Wörter, die ich damals nachgeschlagen hatte, als sich mein Talent zeigte. Aber ich habe keine Lust, Duke das zu erklären. Ich habe schon vor langer Zeit aufgehört, Leute zu korrigieren. Hellsehen gehört auch zu den Fähigkeiten, Zeit zu manipulieren, es passt also schon.
»Mit dieser Gabe hast du wahrscheinlich in deinem ganzen Leben noch keinen Fehler gemacht. Du weißt immer, was du willst.« Er blickt mir in die Augen.
Das stimmt größtenteils. Im Großen und Ganzen weiß ich genau, was ich will, und kenne die Schritte, mein Ziel zu erreichen, aber nicht unbedingt wegen meines Talents. »Ich lote nicht alles aus. Ich hab jede Menge Fehler gemacht. Aber du hast recht, viele ließen sich schon vermeiden.« Wie Bobby, wollte ich sagen.
»Hast du jemals mich ausgelotet?«
»Nein. Was dich betrifft, stand ich noch nie vor einer Entscheidung.«
Er bleibt ganz plötzlich stehen und ich muss hilflos zuschauen, wie Ray und Laila weitergehen. Duke stellt sich vor mich und dreht unseren Freunden den Rücken zu, die sich immer weiter entfernen. »Was wäre, wenn ich dich vor eine Wahl stellen würde? Wie lange würde es dauern, die Alternativen auszuloten?«
»Das hängt davon ab, worum es sich handelt«, sage ich, sofort nervös.
»Vielleicht will ich dich auf ein Date einladen.«
»Bloß nicht.« Ich umklammere die Riemen meines Rucksacks und wippe ein bisschen auf meinen Absätzen.
»Das ging schnell. Was ist beim Ausloten passiert?«
»Ich hab nicht nachgesehen. Wie ich schon sagte, ich brauche nicht alles auszuloten, um zu wissen, was ich will.«
Er kommt noch einen Schritt näher und beugt sich vor. »Ich meinte doch nicht jetzt sofort. Bloß irgendwann einmal.«
Mein Blick bleibt an seinen Lippen hängen und ein Prickeln läuft mir über den Nacken. »Ich habe eine Regel.«
»Und die wäre?«
»Ich küsse keinen Typen, der schon mehr als fünf Mädchen geküsst hat.«
Er zieht seine Augenbrauen hoch und ein Funkeln erscheint in seinem Blick. Mir wird
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