Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
Vom Netzwerk:
Muskelbewegungen. Finde heraus, was du wirklich denkst.«
    »Ich bin nicht sicher, ob ich wissen will, was ich wirklich denke.«
    Aber Nathan tat, was Bob gesagt hatte. Sie warteten in gespannter Stille. Und dann schien die Planchette langsam unter ihren Fingerspitzen zu rotieren.
    Bob schloss die Augen und leckte sich über die Lippen. »Gut. Ist da jemand?«
    Sie warteten wieder. Bis die Planchette mit einem trockenen Quietschen über die Spiegeloberfläche zum Wort JA glitt.
    Nathan zog den Finger zurück.
    »Hör doch auf. Du bewegst die Planchette, ich kann es spüren.«
    »Leider nicht. Jetzt komm schon. Du willst sie doch nicht verärgern.«
    »Wen verärgern?«
    Bob blickte zur Decke. »Na sie eben.«
    »Mann, du machst mir Angst«, beschwerte sich Nathan.
    Bob warf ihm einen flehenden, ungeduldigen Blick zu. Also legte Nathan den Finger zurück auf die Planchette.
    »Hast du einen Namen?«, fragte Bob in die Luft.
    Die Planchette glitt zum Buchstaben D. Dann zum Buchstaben A.
    david
    »Kennst du uns, David?«
    nein
    »Warum bist du dann hier?«
    könnt ihr hören
    »Ja. Hast du eine Botschaft?«
    stirb fotze
    »Ist das deine Botschaft?«
    stirb fotze stirb fo –
    »Und tschüs dann.«
    Bob nahm den Finger von der Planchette. »Alter, du zitterst ja.«
    »Verdammte Scheiße. Sag, dass du das mit Absicht gemacht hast.«
    »Hast du es mit Absicht gemacht?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht. Versuchen wir’s noch mal?«
    Nathan schüttelte den Kopf; auf keinen Fall.
    »Sieh mal, da ist gar nichts. Es kommt aus deinem Kopf«, beschwichtigte ihn Bob.
    »Oder aus deinem.«
    »Oder aus meinem, ja. Vielleicht. Jetzt komm schon.«
    Noch einmal – Nathan diesmal viel zögerlicher – legten sie die Zeigefinger auf die Planchette.
    »Also«, fragte Bob, »ist da jemand?«
    ja
    »Wer ist da?«
    sunny
    »Kennen wir uns, Sunny?«
    heiss hier
    Nathan zog den Finger zurück.
    »Scheiße.«
    Bobs Gesicht hatte sich verdüstert. »Leg den Finger wieder drauf.«
    Nathan gehorchte.
    Dann entspannte sich Bob und fragte noch einmal in die Luft: »Warum bist du hier, Sunny?«
    fikt ihn
    »Wer fickt wen?«
    fikt ihn
    fikt ihn
    fikt ihn
    Nathan stand auf.
    »Wirklich«, sagte er. »Ich scheiß drauf. Ich mein das ernst. Ich scheiß drauf.«
    Er schaute hinunter auf den Spiegel. Dann schaltete er die Deckenlampe ein. Der plötzliche, weißere Lichtschein blendete ihn. Mit dem Fuß verstreute er die Buchstaben des Ouijabretts über den Teppich.
    Bob stand ebenfalls auf. »Was tust du da?«
    »Und auf dich scheiß ich auch.«
    »Hast du eine Ahnung, wie gefährlich das ist?«
    »Du hast doch einen Kopfschuss, Mann.«
    Nathan nahm seine Zigaretten und verließ das Gästezimmer. Draußen im halbdunklen Flur schaute er auf die Uhr. Er konnte nicht klar sehen. Er lehnte sich an die Wand.
    Dann ging er die Treppe hinunter, wo es noch heißer war als zuvor. Die Menschen und der Lärm drangen auf ihn ein. Er quetschte sich in den Ballsaal.
    Er schaute auf die Uhr. Es war unwahrscheinlich viel Zeit vergangen. Sara war auf der Tanzfläche. »Crocodile Rock« ging gerade zu Ende. Darauf folgte »He’s the Greatest Dancer (That I’ve Ever Seen)«. Sara tanzte mit Mark Derbyshire. Mark hatte sein Jackett ausgezogen. Nathan sah ihnen zu: Mark ließ die Hüften kreisen, rieb sich an ihr, als wollte er sie an Ort und Stelle flachlegen, und Sara lachte. Marks Hemd war klatschnass unter den Achseln und zwischen den Schulterblättern.
    Die Tanzfläche war gerammelt voll und die Musik schnell und alle schienen Spaß zu haben.
    Nathan schnappte sich eine Flasche Chardonnay von der Theke, dann holte er seinen Mantel und ging zur Haustür hinaus.

5
    Die Kälte und die Stille schlugen ihm ins Gesicht, seine Haut spannte sich wie Frischhaltefolie über seinen Schädel. Er biss die Zähne zusammen, setzte sich in den Lichtschein auf der steinernen Türschwelle, die dumpfen Partygeräusche im Rücken, und wusste nicht, was er tun sollte. Das große Haus verspottete ihn. Also packte er die Flasche am Hals und machte einen Spaziergang durch die Dunkelheit.
    Jenseits des Ostflügels stand eine Gruppe kahler Bäume. Auf der anderen Seite lag ein Tennisplatz, um den herum ein paar Bänke aufgestellt waren. Auf einer von ihnen kauerte eine dunkle Gestalt. Als Nathan näher trat, schien die dunkle Gestalt zum Leben zu erwachen, ein weißer Kopf erhob sich. Schließlich entpuppte sie sich als ein junges Mädchen. Ihr kurzes, schwarzes Haar glänzte im Sternenlicht.

Weitere Kostenlose Bücher