Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
Vom Netzwerk:
»Dann meinst du also, das ist das Übernatürliche? Nichts als Naturphänomene?«
    »Ja, das meiste schon. Neunundneunzig Prozent.«
    »Und das eine Prozent?«
    »Mich interessiert vor allem dieses eine Prozent. Wahrscheinlich sind gut neunundneunzig Prozent dieses letzten Prozents erklärbar. Wir wissen nur noch nicht, wie . Aber das restliche eine Prozent von dem einen Prozent?«
    Er drückte seine Nasenflügel zusammen und schloss die Augen.
    »Krass. Hast du eine Zigarette?«
    Nathan spürte, wie jede Zelle seines Körpers vibrierte.
    Nachdem sie den letzten Rest Kokain geschnupft, ihre Fingerspritzen angefeuchtet und sich die bitteren Rückstände ins Zahnfleisch gerieben hatten, füllte Nathan die Weingläser noch einmal mit Eis und Bombay Sapphire.
    Bob setzte sich aufrecht aufs Bett und hielt sein Glas am Stiel fest.
    »Heftig«, sagte er.
    »Ich hab vor zwei Jahren aufgehört, das Zeug zu nehmen, kannst du dir das vorstellen?«, fragte Nathan.
    Bob meinte, er könne sich das nicht vorstellen.
    Sie schwiegen.
    Das Licht schien plötzlich anders zu leuchten.
    »Was ist los?«, fragte Bob.
    »Nichts.«
    »Doch. Dich bedrückt was.«
    Nathan zögerte.
    Schließlich sagte er: »Na gut. Ich hab da ein Problem.«
    »Was für ein Problem?«
    »Ich wollte mit Sara Schluss machen.«
    »Wie, sie abservieren?«
    »Das ist ein sehr krasses Wort dafür. Wir haben uns halt irgendwie auseinander gelebt, du weißt schon. Jemand muss was sagen. Einer von uns beiden.«
    »Willst du ihr hier eine Szene machen?«
    »Nein. Ich bin zu high. Bist du high?«
    »Ja.«
    »Ich auch.«
    »Also, wenn nicht hier – wann dann?«
    »Morgen, beim Mittagessen, beim späten Frühstück.«
    »Und warum?«
    »Weil sie eine Affäre hat.«
    »Mit?«
    »Ihrem Chef.«
    »Okay. Und wo ist das Problem?«
    »Ich habe Zweifel. Tue ich das Richtige? Sollte ich nicht um sie kämpfen?«
    »Wenn du in sie verliebt wärst, würdest du das.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja. Nathan, Kumpel. Die Entscheidung ist längst gefallen. Das ist nur die Angst.«
    »Und der Alk.«
    »Ja.«
    »Und das Koks.«
    »Das auch.« Bob beugte sich vor und tippte Nathan mit dem Zeigefinger an die Stirn. »Aber da drin weißt du, was du tun musst. Du hast dich schon entschieden.«
    »Glaubst du?«
    »Ja.«
    »Ich bin mir da nicht so sicher.«
    Bob schien angestrengt nachzudenken. »Liebst du sie?«, fragte er.
    »Ich glaube nicht. Aber wenn ich mir vorstelle, wir wären nicht mehr zusammen, macht mich das ein bisschen traurig.«
    »Das ist normal. Aber das ist keine Liebe, das ist Bedauern. Das Ende der Liebe.«
    »Das Ende der Liebe«, wiederholte Nathan voller Ehrfurcht vor einem solchen Gedanken. »Wow. Das Ende der Liebe.«
    Bob klatschte sich auf die Schenkel und stand auf. Er schwankte leicht. Seine Knie knackten.
    »Lass uns das Orakel befragen!«, schlug er vor.
    Nathan blinzelte zu ihm hoch.
    »Geh ins Bad und hol einen Plastikdeckel von einem Deo oder so was. Raumspray. Irgendwas«, wies Bob ihn an.
    Aufgeregt – und zu stoned, um Bobs Auftrag in Frage zu stellen – eilte Nathan den Flur entlang ins Badezimmer, das seine besten Zeiten längst hinter sich hatte. Dusche, Badewanne und Waschbecken waren mit Kalk überzogen. Den Waschbecken fehlten Stöpsel. Die Hähne tropften. Nathan durchstöberte die Schränke und fand eine Dose Rasierschaum, von der er den Plastikdeckel entfernte.
    Als er wieder ins Gästezimmer kam, schrieb Bob gerade alle Buchstaben des Alphabets auf die aufeinander folgenden Seiten eines kleinen Notizbuchs. Schließlich riss er die Blätter einzeln heraus und ordnete sie so auf dem Spiegel an, dass ein ungefährer Kreis entstand. Er legte das Wort JA auf zwölf Uhr, gefolgt von den Buchstaben A bis M, und auf sechs Uhr das Wort NEIN, gefolgt von den Buchstaben N bis Z.
    Nathan betrachtete das behelfsmäßige Ouijabrett und lachte.
    »Komm schon. Was soll das denn werden? Das Brett hat ja noch nicht mal einen Zeiger .«
    »Eine Planchette «, verbesserte Bob und nickte in Richtung des Plastikdeckels in Nathans Hand.
    »Das ist nicht dein Ernst.«
    »Lass es uns versuchen.«
    Nathan kicherte, während sie sich im Schneidersitz neben das Brett setzten. Bob legte die Planchette in die Mitte.
    »Was muss ich machen?«, fragte Nathan.
    »Du legst den Zeigefinger auf die Planchette – ganz leicht, so leicht du nur kannst. Dann wartest du einfach.«
    »Wie funktioniert das?«
    »Über den sogenannten ideomotorischen Effekt : winzige, unbewusste

Weitere Kostenlose Bücher